Zum Gedenken – Die Tragödie der „Wilhelm Gustloff“ vor 70 Jahren

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Guten Tag, mein Vater Alois Philipp , ein verwundeter Marinesoldat -Obersteuermannsmaat-, war 1945 in Sopot im Lazarett und wurde dort von seiner Verlobten Änne besucht. ...

Zum Gedenken – Die Tragödie der „Wilhelm Gustloff“ vor 70 Jahren

Ein Brief[1] von Kapitän zur See d. Reserve Vadim Gasisov, Kaliningrad an Kapitänleutnant a. D. Bernhard Mroß (Dolmetscher und Übersetzer des Briefes) vom 30.01.2015.

Hinter der Abschrift des russischen Originals folgt die deutsche Übersetzung von Bernhard Mroß.

Der Originalbrief

Дорогой Бернхард!

Приближается 70-летие Победы во Второй мировой и Великой Отечественной войне. Эту дату будут отмечать широко и повсеместно. Но шли к этой Победе через множество событий и эпизодов, которые как бы предшествовали во времени этой Победе и семидесятилетия которых мы отмечает уже несколько лет. Год назад в январе 2014 года в России отмечали 70-летие снятия блокады Ленинграда. Совсем недавно в Польше прошли торжественно-скорбные мероприятия – 70-летие освобождения города Освенцима и находящегося недалеко одноименного страшного лагеря смерти. Но случались в этой страшной войне события, которые отмечают не так широко, видимо, ввиду их малой масштабности. Конечно, в этих военных событиях погибло не столько людей, как, например, в Ленинграде или, тем более, в Освенциме. Но это тоже были люди, гибель которых достойна нашей памяти.

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Сегодня, когда до 70-летия Великой Победы остается чуть более 3-х месяцев, исполняется 70 лет со дня потопления теплохода «Вильгельм Густлов» и гибели в ледяной воде более 9000 человек, большинство из которых составляли женщины и дети. Эта очередная страшная бессмысленная жатва войны заставляет ужаснуться любого человека. Даже на секунду страшно представить положение тех людей, когда они в кромешной тьме поняли, что обречены на ужасную смерть в ледяной воде. Я как подводник на начальном этапе своей военной службы и сейчас не без содрогания вспоминаю упражнение, которое называлось «выход из подводной лодки через торпедный аппарат».

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Лежишь в торпедном аппарате, кромешная тьма, открывается передняя крышка, и тебя начинает обволакивать холодная вода. Даже в условиях строжайших мер безопасности ощущения не из приятных. А тут открытое море, тьма, холод и сознание того, что скоро тебя навсегда поглотят ледяные волны. Невозможно представить, что думали и ощущали эти люди!

Война, к сожалению, живет по своим законам и правилам, очень жестоким и беспощадным. Поэтому сегодня просто бессмысленно говорить о том, был ли это героизм или преступление. Каждая сторона имеет свои неоспоримые аргументы. В свое время мне пришлось присутствовать в немецко-русском доме в Калининграде на обсуждении книги Гюнтера Грасса «Im Krebsgang» (она есть у меня с автографом автора), где присутствовали и несколько немецких военных моряков. И они говори, что в этой ситуации поступили бы также, как и командир лодки, потопившей «Вильгельм Густлов».

У нас в Калининграде многие военные моряки помнят об этой дате, скорбят по погибшим, часто говорят и о подвиге Маринеско, и о

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тех мифах, которыми часто обрастает любой подвиг. Но погибших уже не воскресить. Я хочу в этот день просто помолиться за неприкаянные (не нашедшие еще покой) души этих несчастных с «Вильгельма Густлова». Пусть они, наконец, обретут покой в Господе нашем и простят нас. А еще будем молиться и о тех, кто погиб в эту страшную войну независимо от национальности и государственной принадлежности.

В заключение хочу к словам скорби и сочувствия добавить слова пожелания того, чтобы из уроков прошлого делались правильные выводы. В прошлом году мы отметили 25-летие нашей дружбы, которая началась в Ленинграде во время первого послевоенного визита немецких военных кораблей в Советский Союз. Ты хорошо помнишь ту дружескую атмосферу, хотя и с элементами определенной настороженности: это был первый визит. И слова многих ленинградцев «а почему вы пришли так поздно!». А во время своего визита в Калининград еще раз убедился, с какой теплотой отзываются в России о Германии и немцах.

Жму руку.
Вадим
Калининград, 30 января 2015 года.


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Die Übersetzung[2]

Es nähert sich der 70. Jahrestag des Sieges im Zweiten Weltkrieg und im Großen Vaterländischen Krieg. Dieses Datum wird breitgefächert und überall begangen werden. Man schritt aber zu diesem Sieg durch eine Vielzahl von Ereignissen und Episoden, die so waren als wenn sie in der Zeit diesem großen Sieg vorausgegangen wären und deren siebzigste Jahrestage wir bereits mehrere Jahre begehen. Vor einem Jahr, im Januar 2014, beging man in Russland den 70. Jahrestag der Aufhebung der Blockade Leningrads. Gerade vor ein paar Tagen gab es feierlich-traurige Veranstaltungen aus Anlass des 70. Jahrestages der Befreiung der Stadt Auschwitz und des unweit von dieser Stadt befindlichen gleichnamigen schrecklichen Todeslagers. In diesem schrecklichen Krieg gab es Ereignisse, die nicht so breit begangen werden, wahrscheinlich wegen ihres kleinen Maßstabes. Natürlich, während dieser kriegerischen Ereignisse sind nicht so viele Menschen ums Leben gekommen, wie beispielsweise in Leningrad oder noch weit mehr in Auschwitz. Aber dieses waren doch auch Menschen, deren Tod unserer Erinnerung wert und würdig ist.

Heute, wo bis zum 70. Jahrestag des Großen Sieges etwas kaum mehr als 3 Monate verbleiben, sind 70 Jahre vom Tag der Versenkung des Dampfschiffes „Wilhelm Gustloff“

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und des Todes im eisigen Wasser von über 9000 Menschen, deren Mehrzahl aus Frauen und Kindern bestand, vergangen. Dieses weitere schreckliche sinnlose Opfer des Krieges zwingt jeden Menschen dazu sich zu erschrecken. Sogar für eine Sekunde ist es furchtbar sich die Lage dieser Menschen vorzustellen, als diese in tiefster Finsternis begriffen haben, dass sie zu einem furchtbaren Tod im eisigen Wasser verurteilt worden sind. Ich als ehemaliger U-Boot-Fahrer zu Beginn meines militärischen Dienstes erinnere ich mich noch jetzt nicht ohne Zittern an eine Übung, die geheißen hatte „Verlassen des Unterseebootes durch den Torpedo-Apparat“. Du liegst im Torpedo-Apparat, es herrscht tiefste Finsternis, der vordere Verschluss öffnet sich und dich

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beginnt kaltes Wasser zu umspülen. Sogar unter den strengsten und wirklich schärfsten Sicherheitsvorkehrungen gehören diese Gefühle nicht zu den angenehmen. Und hier ist dann noch die offene See, Finsternis und die Wahrnehmung, dass dich bald die eisigen Wellen für immer verschlingen werden. Man kann sich gar nicht vorstellen, was diese Menschen gedacht und gefühlt haben!

Der Krieg lebt, leider, nach eigenen Gesetzen und Regeln, sehr grausamen und schonungslosen. Und deswegen ist es heute sinnlos darüber zu sprechen und zu streiten, war dieses denn Heldentum oder war es ein Verbrechen. Jede Seite hat ihre unbestreitbaren Argumente. Ich hatte seiner Zeit die Gelegenheit im Deutsch-Russischen Haus in Kaliningrad bei der Erörterung des Buches von Günther Grass „Im Krebsgang“ (ich habe es mit der Signatur des Autors) teilzunehmen, woran auch ein paar deutsche Marineangehörige teilgenommen haben. Und diese sagten, dass sie in dieser Situation genau so gehandelt hätten, wie es der Kommandant des U-Bootes, der die „Wilhelm Gustloff“ versenkt hatte, getan hat.

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Bei uns in Kaliningrad erinnern sich viele Marineangehörige an dieses Datum, trauern um die ums Leben gekommenen, sie reden oft von der Heldentat Marineskos, aber auch von den Mythen, mit denen eine jede Heldentat umrankt wird. Die ums Leben gekommenen kann man aber nicht mehr zum Leben erwecken. Ich möchte an diesem Tag einfach nur für die Seelen derjenigen unglücklichen Menschen von der „Wilhelm Gustloff“ (die noch nicht ihren ewigen Frieden gefunden haben) beten. Mögen sie endlich ihren Frieden in unserem Herrn finden und uns vergeben. Und wir werden auch noch für diejenigen beten, die in diesem furchtbaren Krieg ums Leben gekommen sind, unabhängig von deren Nationalität und Staatsangehörigkeit.

Zum Abschluss möchte ich den Worten der Trauer und des Mitgefühls noch Worte des Wunsches hinzufügen, man möge aus den Lehren der Vergangenheit richtige Schlussfolgerungen ziehen. Im letzten Jahr haben wir den 25. Jahrestag unserer Freundschaft, die in Leningrad während des ersten Nachkriegsbesuches von deutschen Kriegsschiffen in die Sowjetunion ihren Anfang genommen hatte, begangen. Du erinnerst Dich noch gut an diese freundschaftliche Atmosphäre, obwohl noch mit Elementen einer gewissen Beunruhigung und Vorsicht versehen: Dieses war der erste Besuch. Und die Worte vieler Leningrader lauteten „und warum seid ihr erst so spät gekommen!“ Und während Deines letzten Besuchs (Anmerkung: Ende September 2014) in Kaliningrad konntest Du Dich noch einmal davon überzeugen, mit welcher Warmherzigkeit man in Russland über Deutschland und die Deutschen spricht.

Ich drücke Dir die Hand.
Vadim
Kaliningrad, den 30. Januar 2015


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Zum Gedenken an die Tragödie der „Wilhelm Gustloff“ vor 70 Jahren


Anmerkung

Die vorstehende Mail[3] – Absender Kapitän zur See d. Reserve, Vadim Gasisov, Kaliningrad - im russischen Original sowie die deutsche Übersetzung habe ich heute durch Vermittlung unseres Freundes Winfried Brandes vom Adressaten der Mail, Kapitänleutnant a. D. Bernhard Mroß, erhalten, der auch für die Übersetzung verantwortlich zeichnet.
Beide - Winfried B. und Bernhard M. – haben seit Jahren als ehemalige Angehörige der Bundesmarine freundschaftliche Kontakte zur Baltischen Flotte in Kaliningrad. Der Vater von Winfried Brandes wird seit Oktober 1944 in Ostpreußen im Bereich Schloßberg/Schirwindt vermisst.
Ganderkesee, den 31.1.2015 – gez. Martin Kunst

Wilfried Brandes und Bernhard Mroß in Schloßberg, 2008
Vadim Gasisov und Wilfried Brandes in Kaliningrad, 2008


Briefwechsel 2020

30. Januar 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

in diesem Jahr werden es viele Gedenken an die Opfer des 2. Weltkrieges geben. Mit Genehmigung von Bernhard Mrosz darf ich diese Übersetzung unseres Freundes Wadim Gasisow aus Kaliningrad, ehemals Königsberg übersenden.
Es wäre sehr wünschenswert, wenn dieser Artikel in der Preußischen Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr, Euer Winfried Brandes

Übersetzung 2020

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Lieber Bernhard!
Ich schreibe Dir, meinem alten Freund und über Dich, an alle meine alten Bekannten Deutschen, und rein symbolisch ganz Deutschland. Du warst einer der ersten deutschen Militärangehörigen, der zusammen mit Admiral Boehmer und mit deutschen Marineangehörigen in der Heldenstadt Leningrad in der Periode des „Kalten Krieges“ geweilt hatte. Besonders bewegend war für Euch Deutsche die Piskarjowskij-Friedhofs-Anlage, wo über eine halbe Million Opfer dieses schrecklichen Krieges bestattet worden sind. Gestern begingen die Leningrader den 76. Jahrestag deren vollständiger Liquidierung.

Dieses Jahr ist reich an verschiedenen denkwürdigen Ereignissen, viele von diesen haben einen gramvollen und traurigen Charakter. Und sogar so ein großes und freudiges Ereignis wie der 75 Jahrestag der Zerschlagung des Faschismus in Europa, bedeuten eine zehnfache Millionenzahl an Opfern dieses schrecklichen Krieges. In diese furchtbare Spardose wurden die Leben viele Länder Europas und der Welt gelegt. Und am meisten von Russen, Deutschen und Polen. Die Ergebnisse dieses sinnlosen Krieges sind solche, dass einem die Haare zu Berge stehen bei dem Versuch sich die Ergebnisse aller Verluste vorzustellen. 75 Jahre sind vom Augenblick der Torpedierung der „Wilhelm Gustloff“ am 30. Januar 1945 vergangen. Die Tragödie der „Wilhelm Gustloff“ ist auch ein sonderbarer Beitrag in diese furchtbare Spardose. Wir wissen nur zu gut wovon die Rede ist. Nach verschiedenen Berechnungen sind damals bis zu 10 Tausend Menschen umgekommen. Aber im Prinzip welchen Unterschied macht es. Dieses waren Väter und Mütter, Ehemänner und Ehefrauen, Kinder, ganz einfach gesagt, Menschen. Jetzt wollen wir keine Bewertung vornehmen wer Recht hat, wer schuldig ist, ob dieses denn human war oder gab es ein Recht zur Rache. Darüber wurde schon vieles gesagt und geschrieben. Der vergangene Krieg hat allen Leid und Leiden gebracht.

Wenn man sich der ums Leben gekommen erinnert, ihnen die Ehre des ewigen Angedenkens gibt, so muss man in seinen Gedanken auch dieser Unglücklichen gedenken. Der vergangene Krieg hat alle berührt. Unter meinen Verwandten gibt es ums Leben gekommene und es sind auch welche die lebend nach Hause zurückgekommen sind. Bei meinem Freund und Kameraden Winfried Brandes ist der Vater kurz vor Ende dieses Krieges unbekannt verschollen. Leid gab es in jeder Familie. Man muss aller und jedermanns gedenken. Wie in einem russischen Lied gesungen wird:
„in unseren heutigen Gedanken sind sie alle am Leben, sind sie alle am Leben -
alle, alle, alle!“

Diesem Ziel dient auch das Ehrenmal in Laboe, welches dem Andenken aller Seeleute, die auf allen Meeren ums Leben gekommen und geblieben sind, gewidmet ist. Wir unterhielten uns unlängst mit Admiral Jegorow zu diesem Thema. Er bedauerte aufrichtig, dass während seiner Zeit als Befehlshaber der Baltischen Flotte er über die Möglichkeit und Wunsch von deutscher Seite her einen Gedenkkranz und einen Gedenkobelisken für die Seeleute der Baltischen Flotte aufzustellen nichts gewusst hatte. Im weiteren Zeitverlauf und zu seinem großen Bedauern erwies sich dieses als nicht so ganz einfach.

Ein großes Bedauern ruft hervor, dass das nach dem langen „Kalten Krieg“ folgende erhebliche Tauwetter, besonders in den Beziehungen zwischen unseren Ländern, wieder auf den hinteren Plan zu Gunsten der politischen Ambitionen der Staatsmänner und der politischen Führer gelangt. Offensichtlich ziehen nur Wenige aus der Geschichte nützliche Schlussfolgerungen.

Auf jeden Fall, trauern wir um diejenigen, die ihren Kopf auf den Gefechtsfeldern niedergelegt haben oder unbekannt verschollen sind oder die den Schrecken einer solchen Tragödie erfahren haben, zu dem der Untergang der „Wilhelm Gustloff“ geworden ist. Wir werden ihrer gedenken und für die Ruhe ihrer Seelen beten!

Vadim
Kaliningrad, den 28. Januar 2020

Anmerkung: Vadim ist Dolmetscheroffizier und Kapitän a.D. der Baltischen Flotte und wohnt in Kaliningrad(Königsberg).
Bernhard Mroß ist Dolmetscheroffizier und Kapitänleutnant a.D. der Bundesmarine/Deutschen Marine.


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Briefwechsel 2021

30. Januar 2021

Lieber Martin,

im Anhang eine Gedenkadresse von Vadim zu 76. Jahrestag des Untergangs der "Wilhelm Gustloff" - bei uns werden alle möglichen Gedenktage begangen, die fremde Nationen betreffen, aber unsere deutschen Landsleute gelten nichts und derer wird nicht gedacht. Hoffentlich rächt sich dieses nicht eines Tages.
Mit besten Grüßen und in kameradaschaftlicher Verbundenheit
Bernhard Mroß
Vereidigter Dolmetscher und Übersetzer für die russ. u. poln. Sprache

Übersetzung 2021

30.01.1945 Wilhelm Gustloff, Fotoarchiv: Vadim Gasisov, Kaliningrad

Hinter der Übersetzung[2] folgt der Originaltext des Briefes vom 30.01.2021.

30.01.1945

Lieber Bernhard!

Der Monat Januar erinnert traditionell uns, die Russen, und Euch, die Deutschen, an viele Ereignisse der neueren Geschichte, die in erster Linie verbunden sind mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges. Gerade vor ein paar Tagen, am 27. Januar 2021, gedachte die Menschheit der Beendigung der Blockade Leningrads.
Dieses ist für uns ein heiliges Datum. Du selbst hast den Maßstab dieser Tragödie miterlebt, als Du mit Admiral H.R. Boehmer und den Seeleuten der deutschen Kriegsschiffe in Leningrad den Piskarjowskoje-Friedhof im Jahre 1989 besucht hattest.
Und am heutigen Tage wird eine weitere tragische Seite aufgeschlagen, diesmal aber für das deutsche Volk. Vor 76 Jahren drängelte sich ein riesiger Menschenhaufen von Flüchtlingen in Ostpreußen vor der „Wilhelm Gustloff“, wie auf dem Bild oben zu sehen ist, in der Hoffnung noch an Bord dieses Lainers zu gelangen. Man kann sich vorstellen, wie die am Ufer verbliebenen diejenigen beneideten, die es geschafft haben an Bord zu gelangen.
Und dann geschah die furchtbare Tragödie. Und es ist nicht wichtig, wie viele Menschen genau im Ergebnis dieses Torpedierens umgekommen sind – 1 Tausend oder 10 Tausend – es sind Menschen umgekommen. Man kann viele Gründe für die Versenkung dieses Lainers finden. Der Schrecken und Grausamkeit der Kriegsverbrechen liegt darin, dass es für diese immer eine Begründung gibt. Ich habe Dir von der Leser-Konferenz über das Buch von G. Grass „Im Krebsgang“, welche Anfang der 2000-er Jahre in Kaliningrad, im Deutsch-Russischen-Haus in Anwesenheit des Autors dieses Buches stattgefunden hatte. Als man begann die Handlungen des A. Marinesko zu beurteilen, da stand ein Offizier der Deutschen Marine, ein ehemaliger Korvettenkapitän, auf und sagte, dass ein jeder Kommandant eines Unterseebootes auf der Stelle von A. Marinesko, dieses genau so gemacht hätte. Und darin liegt der ganze Schrecken. Wie auch darin, dass die die friedliche Bevölkerung tötenden deutschen Soldaten erklärten, dass sie nur einen Befehl ausgeführt hätten.
Es sind 76 Jahre nach Beendigung dieses schrecklichen Krieges vergangen. Diese schrecklichen Ereignisse werden nie aus dem Gedächtnis gelöscht werden. Aber auch das Andenken an diejenigen, die umgekommen sind während dieser schrecklichen Zeit. Deswegen bereitet dieses Freude, dass diejenigen Menschen mehr und mehr werden, die verstehen, dass man nicht dauernd in Hass gegenüber dem anderen Volke leben darf. Vieles für dieses gegenseitige Verstehen haben die gegenseitigen Besuche deutscher und russischer Kriegsschiffe, an diesen wir Beide teilgenommen haben, beigetragen.
Des öfteren erörtern wir mit Admiral W. Jegorow das Thema guter Flottenbeziehungen, wenn wir uns im engen Kreise, mit einem Krug Bier oder einer Tasse Kaffee mit Kognak, treffen. Wir erinnern uns an die offiziellen Besuche der Befehlshaber der deutschen Flotte in Kaliningrad, und an unsere gegenseitigen Besuche. Ein gesondertes Gesprächsthema sind unsere persönlichen Beziehungen, für die es vielleicht gegenwärtig schwierig wäre Beispiele zu finden. So ein denkwürdiges Ereignis für uns war der Besuch von Admiral H.R. Boehmer und seinen Verwandten im Gebiet Kaliningrad. Wir erinnern uns alle an diese unvergessliche Begegnung der deutschen Gäste mit dem Elternhaus, in dem der Admiral seine Kindheit verbracht hatte. Unvergesslich ist für uns auch der Besuch von Admiral W. Jegorow bei Admiral H.R. Boehmer. Admiral W. Jegorow erinnerte sich unlängst an diese Begegnung in Deutschland und unterstrich, dass die Einladung seiner Person und seiner Gattin zu Besuch im Hause der Familie Boehmer – wäre nicht nur ein Höflichkeitsbesuch gewesen, dieses sei das höchste Vertrauen dem Gast gegenüber, wofür er und seine Gattin der Familie des Admirals Boehmer dankbar seien.

Lieber Bernhard!

An diesem für viele gewöhnlichen, aber traurigem Tag, beten wir für den Frieden derjenigen, die in dieser schrecklichen Zeit ihr Leben gelassen haben. Wir trauern um diejenigen, die sich dafür entschieden haben dem Militärdienst oder dem Kriegsmarinedienst zu dienen. Man möge niemals dieses erfahren müssen, was deren Urgroßväter, Großväter und sogar Väter erfahren mussten. Dir persönlich und Deiner Marinefamilie – Du hast Söhne und Deine Ehefrau Jutta, die eng verbunden waren mit dem Meer, wünsche ich eine kräftige Gesundheit, Wohlergehen und alle irdischen Wohltaten. Ich habe am heutigen Tage sehr viel geschrieben. Die Gedanken, wie man zu sagen pflegt, schlagen mit einem Schlüssel, wie aus einer Quelle stammend. Deswegen, wie man erzählt, hat in solchen Fällen Kardinal Richelieu zu sagen gepflegt, ich bitte mich zu entschuldigen für meine lauten Gedanken.
Vadim
Kaliningrad, den 30. Januar 2021

Anmerkung: (des Übersetzers des Briefes vom 30.01.2021, Bernhard Mroß)
Kapitän zur See a.D. Gasisov war 1989 für mich noch ein angenommener zukünftiger Gegner und ich war für ihn der Klassenfeind.

Der Originalbrief 2021

30.01.1945 Wilhelm Gustloff, Fotoarchiv: Vadim Gasisov, Kaliningrad

30.01.1945

Дорогой Бернхард!

Январь месяц традиционно напоминает нам, русским, и вам, немцам, о многих событиях новейшей истории, связанной, в первую очередь, с событиями Второй мировой войны. Всего пару дней назад, 27 января 2021 года, человечество вспоминало окончание блокады Ленинграда. Это святая для нас память. Ты сам сопереживал масштабы этой трагедии, когда вместе с адмиралом Х.Р. Бёмером и моряками немецких военных кораблей посетил в Ленинграде Пискарёвское кладбище в 1989 году.
А сегодня открылась другая трагическая страница, уже для немецкого народа. 76 лет назад огромная толпа беженцев в Восточной Пруссии толпилась перед «Вильгельмом Густлофом», как на картине выше, надеясь попасть на борт этого лайнера. Можно представить, как завидовали оставшиеся на берегу тем, кто сумел попасть на борт.
А потом случилась эта страшная трагедия. И неважно, сколько людей точно погибло в результате этого торпедирования – 1 тысяча или 10 тысяч – погибли люди. Можно найти тысячу причин как для осуждения, так и для оправдания потопления этого лайнера. Ужас и мерзость военных преступлений в том, что у них всегда есть обоснование. Я рассказывал Тебе о читательской конференции по книге Г. Грасса «Im Krebsgang», которая проходила в начале 2000-х годов в Калининграде в Немецко-русском доме в присутствии самого автора этой книги. Когда стали обсуждать действия А. Маринеско, встал один офицер немецкого флота, бывший капитан 3 ранга, и сказал, что любой командир подводной лодки на месте А. Маринеско сделал бы точно также. Вот в этом весь ужас. Как и в том, что убивавшие мирное население немецкие солдаты говорили, что они выполняют приказ.
Прошло 76 лет после окончания этой страшной войны. Её страшные итоги никогда не сотрутся в памяти. Как и память о тех, кто погиб в это страшное время. Поэтому радует то, что все больше и больше становится людей, понимающих, что нельзя все время жить с ненавистью к другому народу. Многое для такого понимания сделали первые взаимные визиты немецких и русских военных кораблей, участниками которых были и мы с Тобой.
Очень часто тему добрых флотских отношений мы затрагиваем с адмиралом В. Егоровым, когда встречаемся в узком кругу за бокалом пива или чашкой кофе с коньяком. Вспоминаем официальные визиты командующих немецким флотом в Калининград, наши встречи. Особой темой разговора являются наши личные отношения, примеров которым, пожалуй, пока трудно найти. Каким памятным для нас был визит в Калининградскую область адмирала Х.Р. Бёмера и его родственников. Все мы помним незабываемую встречу немецких гостей с родительским домом, в котором адмирал провел свое детство. Незабываемым для нас был и визит адмирала В. Егорова к адмиралу Х.Р. Бёмеру. Адмирал В. Егоров, вспоминая недавно эту встречу в Германии, подчеркнул, что приглашение его и его супруги в гости в дом семьи Бёмеров – это не просто визит вежливости, это высочайшее доверие к гостю, за что он и его супруга благодарны семье адмирала Бёмера.

Дорогой Бернхард!

В этот обычный для многих, но печальный для нас день помолимся об упокоении тех, кто погиб в эти страшные времена. Пожелаем тем, кто решил посвятить себя военной или военно-морской службе, никогда не испытать того, что испытали их прадеды, деды и даже отцы. Лично Тебе и Твоей военно-морской семье – у Тебя и сыновья, и Твоя жена Ютта были тесно связаны с морем – крепкого здоровья, благополучия и всех земных благ. Я сегодня очень много написал. Мысли, как говорят, бьют ключом как из источника. Поэтому, как говорил в таких случаях кардинал Решилье, прошу извинить меня за мои мысли вслух.
Вадим
Калининград
30 января 2021 года.


31. Januar 2021

Lieber Bernhard,

bitte sage auch Vadim unseren Dank. Seine Grüße zum Gedenken an den 30. Januar 1945 tun immer wieder gut. Jedenfalls hilft es gegen das Vergessen, auch bei uns Alten.
Und gerade heute - wir hatten heute früh minus 10 Grad - kommen mir die Gedanken an jene Tage wieder in den Sinn. Mein kleiner Bruder Herbert hat am 22. Januar 1945 auf der Flucht in Kreuzburg das Licht der Welt erblickt und einige Tage später standen wir auf dem frischen Haff vor der Fahrrinne, die man für die letzten Schnellboote aus Elbing hergerichtet hatte. Einen Tag lang haben die Pioniere für die neuen Brücken gebraucht, bis wir endlich die letzten Kilometer zur Nehrung zurücklegen konnten. Für mich waren die eingebrochenen Treckwagen und ertrunkenen Pferde ein großer Schock. Zum Glück hatten wir schlechtes und trübes Wetter, so dass die Artillerie uns nicht weiter belästigt hat.
Die Gedanken an die Gustloff, Steuben und Goya gehen mir gerade heute durch den Kopf, auch angesichts dieses Berichts vom MDR: Drei Schiffe - ein Schicksal, Sönke Neitzel, Historiker.
Mit freundlichem Gruß - Martin und Irina (mit russischem Pass!)

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Fußnoten

  1. Die Genehmigung für die Veröffentlichung des Artikels in GenWiki im „Portal Pillkallen“ unter der Auflage der ausschließlich nicht-kommerziellen Nutzung liegt von den Rechteinhabern/Autoren vom 03.02.2015 schriftlich vor.
  2. 2,0 2,1 Übersetzung des Briefes von: Bernhard Mroß (Dolmetscher und Übersetzer)
  3. Gemeint sind damit der Originalbrief und die deutsche Übersetzung (redaktionelle Anmerkung)

Internetquellen

Artikel Wilhelm Gustloff. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (04.02.2015)
DER UNTERGANG DER M.S. WILHELM GUSTLOFF (20.02.2015)
"Wilhelm Gustloff": Zeitzeugen erinnern sich (04.02.2015)
30. Januar 1945 - Flüchtlingsschiff "Wilhelm Gustloff" wird versenkt (04.02.2015)
„Wilhelm Gustloff“ Mariene Kanal (04.02.2015)
Der Untergang Der Wilhelm Gustloff (04.02.2015)
Fluchttragödie 1945 (04.02.2015)