Bevölkerung, Armut, Auswanderung

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Einleitung

In der zeitgenössischen Literatur tönt aus jeder Seite die Klage entgegen: es sind zu viel Menschen auf dem Lande da, die Arbeitsgelegenheit fehlt, die Zahl der Arbeitslosen und Elenden namentlich auf dem flachen Lande und in den kleinen Städten wächst. Aus typische Äußerungen der Zeit lassen sich manche Ursachen für Wanderungsbewegungen aus diversen Regionen erkennen:

Mark Brandenburg

„Eine dritte Ursache" — se. der Not und Armut auf dem Lande, deren beide ersten Ursachen (!) der Verfasser in der Niedrigkeit des Arbeitslohns und der Länge der Arbeitszeit erblickt — „finden wir an einzelnen Orten und in manchen Gegenden in dem Mangel an fortdauernder Arbeit und zwar entweder zufolge einer Überzahl von Arbeitern oder ungünstiger Konjunktur".

  • Quelle: K. F. Schnell, Vorschläge (1849), S. 34. Der Landesökonomierat Koppe aber, der die Schrift, der obige Stelle entnommen ist, einleitet, warnt ausdrücklich vor einer Lohnerhöhung; denn, meint er, „eine Erhöhung des Tagelohns würde einen solchen Andrang der Arbeiter zur Folge gehabt haben, daß ich sehr viele hätte abweisen müssen".

Schlesien

„Die große Zahl der Arbeitsuchenden hat natürlich zur Folge, daß der tägliche Lohn gedrückt wird . . . Würde wohl der Diebstahl in den Städten und auf dem Lande in den letzten zehn Jahren so überhandgenommen haben, wenn die Tagearbeiter stets Arbeit und höheren Lohn gehabt hätten ?"

  • Quelle: C. Fr. Frenzel, Praktische Ratschläge usw. (1849), 4. „Zurzeit bietet die Gesetzgebung noch kein Mittel dar, wodurch ihrer (sc. der Einlieger) reißenden Vermehrung Einhalt getan werden könnte." Einige Betrachtungen über die Einwohnerklasse der Einlieger in den „Ökonomischen Mitteilungen aus Schlesien", herausgegeben von Gr. Hoverden und Pastor Schulz. V. Jahrg. (1843), S. 74.

Ostpreußen

  • Fr. J. Neumann, Zur Lehre von den Lohngesetzen, in den Jahrbüchern f. Nat. Ok. III. F. Bd. V (1893); namentlich S. 648ff., er behandelte darin ausführlich die Situation in Ostpreußen.

Thüringen

„Die stets wachsende Bevölkerung vermehrt die Zahl der Konsumenten; die vielen müßigen Hände . . . drücken die Arbeitslöhne herab... Etwas weniger . . . fühlen die Städte diese . . . Verhältnisse .. . und doch wimmelt es von müßigen Händen."

  • Quelle: Gesellschaftsspiegel II (1847), 33, 34. Von den Ortschaften des Eisenacher Oberlandes erfahren wir, daß sie „sämtlich ein zahlreiches Proletariat enthalten und Mangel an Arbeitsgelegenheit leiden". Zuschrift der Großherzogtums Sachsen, Bezirksdirektion in Derinbach vom 11. Oktober 1855. Zitiert bei Ein. Sax, Die Hausindustrie in Thüringen 2 (1884), 73.

Oldenburg

„Es ist buchstäblich wahr, daß das Münsterland eine derartige Bevölkerung — 93 Einwohner auf den Quadratkilometer — nicht zu ernähren vermochte."

  • Quelle: P. K ollmann, Die Heuerleute im Oldenburgischen Münsterlande (Jahrb. f. Nat.Ök. III. F. Bd. XVI. S. 192, 193).

Holstein

Eine Schrift des Freiherrn von Berg, in der er die Steigerung der Pachtpreise usw. bekämpft, schließt mit der Mahnung, die landwirtschaftlichen Arbeiten zu vermehren, „was für die reichliche Zahl der Tagelöhner fast notwendig erscheint, wenn nicht deren Verarmung immer mehr vor sich gehen soll".

  • Quelle: Frhr. A. von Berg, über den landw. Betrieb im Herzogtum Holstein usw. 1852. Zitiert bei J. R. Mucke, Deutschlands Getreideertrag (1883), S. 44.

Rheinland

Übervölkerung und Notstände im Westerwalde werden Ursachen der Landgängerei. Siehe die anschaulichen Schilderungen bei Joh. Plenge, Westerwälder Hausierer und Landgänger, in den Schriften d. Joh. Plenge f. S. P. Band 78 (1898) 24f., 49.

Westfalen

„Möge bald die Wünschelrute gefunden werden, welche den Schatz dieses Ländchens, die unverwerteten Arbeitskräfte, zu segensreicher Wirksamkeit an das Licht ruft."

  • Quelle: Jacobi, Statistik des Reg.-Bez. Arnsberg (1856), 21.

Großherzogtum Hessen

„In der 66. und 67. diesjährigen Sitzung der Ersten Kammer des Großherzogtums Hessen fand die Ansicht unseres verehrten hohen Staatsministers volle Anerkennung, wonach in unserem Großherzogtum eine Übervölkerung eingetreten ist."

  • Quelle: L. Wilkens, Die Erweiterung usw. des deutschen Gewerbebetriebes usw. (1847), 1.

Baden

„Die Anzahl dürftiger Arbeiterfamilien ist zwar vermittelst der Auswanderung vermindert worden, aber gleichwohl ist noch ein Übermaß solcher Familien vorhanden, denen es an fortdauernder Beschäftigung gebricht."

  • Quelle: H. Rau, Die Landwirtschaft der Heidelberger Gegend, in der Festschrift für die XXI Versammlung deutscher Land- und Forstwirte. 1860. S. 394. Vgl. dazu Banfield, Industry an the Rhine 1 (1846), 208, 222, und Philippovich im Archiv 5, 32.

Die südwestdeutschen Staaten

Die südwestdeutschen Staaten mit vorwiegend kleinbäuerlichem Besitz: Baden, Hessen, Württemberg, Pfalz galten als die Übervölkerungsbezirke schlechthin und waren es auch lange weiterhin. Was bei ihnen zur Übervölkerung Anlaß bot, war die übermäßige Zerstücklung des Grund und Bodens, die zu einer unrationellen Zwergwirtschaft führte. Bekannt sind die Schilderungen, die Friedrich List von der Lage dieser Zwergbauern in Südwestdeutschland entwirft. Er vergleicht die Zustände dieser Länder „am Rhein, am Neckar, am Main" mit denjenigen Irlands: „Jetzt schon gibt es große Dorfschaften, wo die gesamte Einwohnerschaft nur in der Auswanderung mit Kind und Gesind ihre Rettung zu finden glaubt."

  • Quelle Friedrich List: Ges. Schriften 2, 163.