Die Kirchenbücher der bayerischen Pfalz (1925)/XII

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Die Kirchenbücher der bayerischen Pfalz (1925)
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große Unsicherheit und gefährliche epidemische Krankheiten, welche oft die Geistlichen zwangen, den Ort ihrer Tätigkeit flüchtend zu verlassen; die mit den Durchzügen plündernder Soldaten und brandschatzender Heerführer eintretende ungeheure Not, welche die bauliche Erhaltung von Kirche und Pfarrhaus ebenso unmöglich machte, wie die Aufbringung der Mittel für den Lebensunterhalt der Geistlichen, all das nötigte vielfach zur dauernden oder vorübergehenden Zusammenlegung mehrerer oder auch zur gänzlichen Aufhebung der einen oder anderen Pfarrei. Diese Zustände förderten natürlich und erklären den Verlust nicht weniger KB. Dazu kam noch, daß gelegentliche Brände, Diebstähle, Flüchtung oder Verbergung der KB, und nicht selten auch Fahrlässigkeit und Unachtsamkeit der Pfarrer den Untergang manches KB verschuldeten. Fast ganz verschwunden sind die KB der Pfarreien, die nach kürzerem oder längerem Bestehen im Laufe der Jahre ganz aufgehoben oder dauernd mit einer anderen Pfarrei vereinigt wurden. Aus 79 solcher Pfarreien[1] – im ganzen waren es 97 – fehlen die KB. Außerdem sind oder sollen doch wenigstens (nach Mitteilung der Pfarr- bzw. Bürgermeisterämter) nicht mehr erhalten sein die KB von 19 Pfarreien, die 1798 noch bestanden. Es sind dies die katholischen Pfarreien Brücken, Hochspeier, Mundenheim, Schönau, Walsheim (BezA Zweibrücken), Weyher[2] und Wolfstein; die lutherischen Pfarreien Colgenstein, Ebertsheim[3], Hermersberg, Herschberg, Lautersheim, Mühlheim, Obermoschel, Rüssingen[4] und die reformierten Pfarreien Einselthum[5], Erlenbach (BezA Germersheim), Lettweiler und Oberndorf. Wir haben also den völligen Verlust der KB von nicht ganz 18% aller Pfarreien zu beklagen. Von den verbleibenden 458 Pfarreien sind KB auf uns gekommen, allerdings nicht lückenlos für die ganze Zeit des Bestehens der Pfarreien, auch nicht lückenlos in ihrem Inhalt. Bald fehlen die Aufzeichnungen für kürzere oder längere Zeitabschnitte, bald auch ganze Teile (Tauf-, Ehe- oder Totenverzeichnis), bald auch nur einzelne Abschnitte aus dem einen oder anderen dieser Verzeichnisse. Ohne Unterbrechung seit Gründung oder bei zeitweilig aufgehobenen Pfarreien seit deren Wiedererrichtung laufen die KB fort bei 95 (von 206) katholischen, 36 (von 120) lutherischen und 24 (von 132) reformierten Pfarreien, das sind rund 46%, 30% und 18% derjenigen Pfarreien, von denen es überhaupt noch KB gibt. Die hohe Zahl der unversehrt erhaltenen katholischen KB findet wohl ihre Erklärung in dem Umstand, daß der großere Bruchteil der katholischen Pfarreien erst gegen Ende des 17. und im 18. Jahrhundert errichtet wurde und daß daher ihre KB nicht so vielen und ernsten Gefahren ausgesetzt waren, wie die der älteren lutherischen und reformierten Pfarreien.

Der Bestand der pfälzischen KB ist sonach trotz mancher Verluste, die nie ganz zu vermeiden sind, die aber in der Pfalz sicher nicht größer waren, als anderwärts, immer noch ein ganz beachtenswerter. 458 von 477 Pfarreien – von den frühzeitig eingegangenen 79 Pfarreien darf abgesehen werden – haben heute noch KB. Außerdem sind noch aus weiteren 88 Filialorten[6] KB erhalten, die eigens für sie getrennt von denen ihrer Mutterkirche geführt wurden. Leider haben aber diese KB nicht einen gemeinsamen, ja nicht einmal einen einheitlichen Lager- oder Verwahrungsort. Sie sind bei verschiedenen Behörden untergebracht, manche bei solchen, wo niemand sie suchen kann. Das ist eine Folge der französischen Gesetzgebung. Mit Gesetz – règlement sur l'état civil des citoyens – vom 12. Floréal VI (d. i. 1. Mai 1798)[7] war angeordnet worden. daß die KB von den Pfarrern an die Bürgermeisterämter auszuliefern seien, da in Zukunft diesen die Führung der Standesregister allein anvertraut werden solle. Wenn auch mancherorts mit Widerstreben, wurde doch, da die Behörden mit Strenge gegen säumige Pfarrer vorgingen,[8] die ergangene Weisung allgemein ausgeführt.[9] Nach dem Abzug der Franzosen blieben die KB nicht allgemein bei den Bürgermeisterämtern, sondern sie wurden, aber leider nicht durch gesetzliche Vorschrift, sondern ganz nach Gutdünken teilweise wieder den Pfarrämtern zurückgegeben. Manchmal wurden sie auch vom Pfarrer „leihweise“ erbeten und „seitdem als Eigentum der Pfarrei“ von diesen behalten.[10] Ja in einem Falle kamen sogar „auf Anordnung des ... ersten Staatsanwaltes“ KB wieder an die Pfarreien, in denen sie entstanden waren, zurück. Zweifellos waren sie hier besser vor Schaden geschützt als bei den Bürgermeisterämtern. Nicht jede politische Gemeinde hat ein eigenes Verwaltungsgebäude, in dem Registratur und Archiv in sicherem Verwahr gehalten werden könnten. Häufig mußten sie daher Aufnahme finden in der


  1. 9 kath., 28 luth., 42 reform.
  2. Nur c seit 1785 erhalten.
  3. Die KB waren noch 1818 vorhanden.
  4. KB noch 1712 erwähnt.
  5. KB erst seit 1876 verloren gegangen.
  6. Es sind dies 38 katholische, 21 lutherische und 29 reformierte Orte.
  7. Recueil des réglements et arrêtés émanés du commissaire du gouvernement dans les quatres nouveaux départemens de la rive gauche du Rhin (Strassbourg VII) 4, 20. – In den von den Franzosen schon in den Reunionsjahren besetzten Gebieten südlich der Queich war schon früher durch eine déclaration du roy vom 21. Okt. 1787 ebenfalls die Ablieferung der KB an die mairies befohlen worden, die jedoch erst 1792–1794 ausgeührt wurde (s. kath. KB von Schaidt).
  8. Vgl. die Berichte über die Ausführung des Gesetzes im StASp., Donnersberg I, fasc. 67.
  9. Manche Pfarrer fertigten sich, bevor sie die KB ablieferten, Abschriften von diesen oder Teilen derselben.
  10. Ber. des kath. PfA Großsteinhausen an das StASp vom 26. Febr. 1907.