Hebamme

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Informationen über regionale Lebensumstände ergeben ein Abbild zeitlicher Lebensweisen. Im 17. Jahrhundert hatten sich die von den Hebammen ausgebildeten Schülerinnen in den Reichs- und Residenzstädten der meisten deutschen Gebiete einer Prüfung durch Ärzte (wenn vorhanden) zu unterwerfen. Zu dieser Zeit waren hier auch eine gewisse Anzahl von Hebammen höherer Stände bereits schriftstellerisch tätig.

Siegelmarke Hebammen Lehranstalt
Provinz Brandenburg zu Frankfurt/Oder

Historische Hierarchie

Regional > HRR > Historische deutsche Staaten > Lebensumstände > Wohlfahrtspflege > Hebamme

Bedeutung

Hebamme, eine Person weiblichen Geschlechtes, welche ein Geschäft daraus macht, Kinder zu heben, das ist gebärenden Frauen in der Geburt Hilfe zu leisten; eine Wehmutter, Wehfrau, Kindermutter, Bademutter, weise Frau.

Geburtshelferin

Um die Entbindung zu erleichtern, wendete die Hebamme oft auch volksmedizinische Mittel, Segen und Besprechungen an. In Dieburg wurde sie gemäß dem "Fauteibuch" unter einen besonderen Diensteid genommen. Die Hebamme durfte ohne Erlaubnis nicht über Nacht außerhalb der Stadt bleiben und hatte sich unverzüglich zu den Schwangeren zu begeben, wenn sie gerufen wurde. Dafür war sie, zusammen mit ihrem Ehemann, in Dieburg von städtischen Abgaben und Pflichten befreit. Die erste Hebamme in Dieburg wird 1490 erwähnt.

In der Hexenverfolgung

Aufgrund der hohen Kindersterblichkeit in der Frühen Neuzeit gerieten Hebammen schneller in Verdacht der Hexerei. Sie waren aber nicht mehr als andere Bevölkerungsgruppen von der Verfolgung betroffen.

Mundartliche Namensvarianten

  • Niedersächsisch Bademöme, Bademoder, wyse Moor
  • in Preußen die Alte
  • in Meißen die Pimpelmutter
  • im Dithmarschen Förfro. [1]

Taxe für approbierte Hebammen

Fürstbistum Münster, Landesgegierung 07.08.1777: "Für jede von den approbirten Hebammen auf dem Lande einer schatzpflichtigen oder dürftigen Gebährenden geleistete und bescheinigte Beistandsleistung, soll derselben aus Kirchspielsmitteln 14 Schilling (1/2 Rtlr.) von den Receptoren ausgezahlt und in Extraordinariis verrechnet werden. Die Hebammen dürfen dagegen für ihren Beistand von den bezeichneten Kindbetterinnen oder deren Männer und Angehörigen - bei Vermeidung einer Geldstrafe von 5 Rtlr. - nichts weiter fordern.

Unterm 16.11.1778 und 27.12.1779 ist die Anwendung der vom Medizinal-Collegium nicht approbirten Hebammen auf dem Lande, unter der Bedingung, für zulässig erklärt worden, daß solche an den Orten, wo geprüfte Geburtshelferinnen vorhanden sind, diese bei jeder Entbindung zuziehen sollen und wofür Ersteren 1/3 und Letzteren 2/3 der obigen Gebühr ausgezahlt werden soll. Unterlassung dieser Zuziehung durch die Hebammen oder Weigerung der Zulassung seitens der Wöchnerinnen, soll den resp. Contravenientinnen Geldbußen von 2, 4 und 6 Rtlr. für den ersten bis dritten Entgegenhandlungsfall zuziehen. [2]

Napoleonszeit: Dienstpflicht der Hebammen in Westfalen

Zur Napoleonzeit waren Hebammen in Westfalen bei Tag und Nacht stets zum notwendigen Beistand bei bevostehenden Geburten verpflichtet. Und dies ohne Unterschied in Ansehung der Person, ihres Standes, der Religion oder des Familienstandes. Dabei hatten sie nüchtern und verschwiegen zu sein. Da alle ihre Ratschläge und Verrichtungen aus den vorher genossenen Unterricht begründbar sein mussten, kamen dafür ausschließlich approbierte Hebammen infrage. War ihnen bei der Gewerbeerlaubnis im Anstellungspatent ausschließlich der Beistand bei rein natürlichen Geburtsfällen erlaubt, so hatten sie bei jeder Abweichung davon, wie verkehrte Kindslagen oder kränklicher Beschaffenheit der der Mutter, ohne Verzug die Herbeirufung eines approbierten Geburtshelfers zu fordern.

Diese Forderung zur damaligen Zeit war wichtig, da unvernünftige Leute, aus unterschiedlichen Gründen, durch Versprechungen in bestimmten Fällen die Hebamme zu gefährlichen Eingriffen oder Handlungen verleiten wollten und daher den zusätzlichen Einsatz eines approbierten Geburtshelfers zu verhindern suchten.

Hatte die Hebamme durch ein entsprechendes Patent die Erlaubnis zu Wendungs- und Fußgeburten erhalten, so berechtigte sie diese Erlaubnis nicht zum Einsatz von Instrumenten.

Da über alle Geburten durch die Hebamme ein eigenes Vezeichnis zu führen war, mußte sie eigentlich auch über die dafür notwendigen Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) verfügen. Die Geburten hatte die Hebamme dem Beamten des Personenstandes anzuzeigen, wenn die Angehörigen dies unterließen.

Hebammen hatten besonders auf Frauen zu achten, welche ihre Schwangerschaft offensichtlich verheimlichen wollten. Es war ihnen streng untersagt, bedrängten Mädchen, Frauen oder Wittween Arzneien zu empfehlen, welche die Menstruation oder Abtreibung beförderten. Ebenso war ihnen die Verordnung von Arzneien oder Hausmitteln für Schwangere, Wöchnerinnen und Kinder untersagt. Sie waren verpflichtet, in allen vorkommenden Krankheitsfällen, sofort die Hilfe eines Arztes zu verlagen.

Dem Amtsmedikus, Amtsphysikus oder in der Napoleonszeit dem Kantonsarzt oder Bezirksphysikus hatten die Hebammen in der Kunst ihrer Anordnungen umgehend Folge zu leisten und deren Rat zu erbeten. Beim Bezirksphysikus mußten sie sich auf Anordnung der oberen Behörde jeweils zur Prüfung vorstellen.

Bei Verstoß gegen die behördlichen Auflagen, konnten Hebammen nach vorgenommener Untersuchung suspendiert, abgesetzt und unter Umständen auch ernstlich bestraft werden.

Prüfung im Deutschen Reich

Im Deutschen Reich bedurften die Hebammen nach § 30 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 eines Prüfungszeugnisses der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde.

Archiv

  • Stadtarchiv Lemgo. Hebammen1687 - 1856. Inhalt: Stellung der Bademutter betr. 1687; Land- und Hebammengebühren betr. 1775-1848; Verschiedenes 1829-1856; Gesuch der Hebamme Müller 1837
  • Archiv des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, Bestand "Hebammen-Lehranstalt" in Paderborn, darin das "Geburtenjournal"
  • Archiv des Landschaftsverbandes (LWL-Archivamt) mit Unterlagen zum Hebammenwesen, insbesondere zu den beiden Landesfrauenkliniken in Paderborn und Bochum

Bibliografie

  • Siegemund, Justine: Die Königl. Preußische und Chur-Brandenb. Hof-Wehe-Mutter. Ein höchst nöthiger Unterricht von schweren u. unrechtstehenden Gebuhrten.(1723)
  • Sommer, Johann Georg: Hebammen-Schul, oder gründlicher Unterricht, wie eine Hebamme . sich zu verhalten (Gotha, Boetio, A., 1693)
  • Schmitz, Britta: Hebammen in Münster. Historische Entwicklung. Lebens- und Arbeitsumfeld. Berufliches Selbstverständnis, 1994
  • Gescherman, Monika: "Hebammen auf dem Land, Das Beispiel Telgte im 19. Jahrhundert" (Magisterarbeit Uni Münster 1992)
  • Burckhard, Georg: Die deutschen Hebammenverordnungen von ihren ersten Anfängen bis auf die Neuzeit (1912)
  • Haberling, E.: Beiträge zur Geschichte des Hebammenstandes, I. Der Hebammenstand in Deitschland von seinen Anfängen bis zum Dreißigjährigen Krieg (1940)
  • Ub, O.: Die Hebammemordnungen des 17. Jahrhunderts (Med. Dissert. Würzburg, 1914)
  • Nöth, A. Die Hebammenordnungen des 18. Jhdts.(Med. Dissert. Würzburg, 1931)
  • Tutzke, D.: Die statistische Untersuchung als Beitrag zur Geschichte des Hebammenwesens im ausgehenden 18. Jhdt. (Centaurus 4, 1956, S. 351)
  • Hilpert, Claudia: Mainzer Hebammen in früheren Jahrhunderten. Dissertation, 2001
  • Rheinische Hebammengeschichte und -ausbildung (1700-1945)

Fußnoten

  1. Quelle: Adelung, J. Christ.: Grammatisch-kritisches Wörterbuch (Leipzig 1793-1801)
  2. Quelle: Johann Joseph Scotti: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Königlich Preußischen Erbfürstenthume Münster und in den standesherrlichen Gebieten Horstmar, Rheina-Wolbeck, Dülmen und Ahaus-Bocholt-Werth (1843)