Instructionsbuch für den Infanteristen (1872)/072

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Instructionsbuch für den Infanteristen (1872)
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unüberwindlicher oder gefährlicher Schwierigkeiten. alles Exerziren ist nur darauf berechnet, den Soldaten fähig und geschickt zu machen, sich in die Zusammengehörigkeit und im richtigen Verhältnisse zu Anderen -- seinen Nebenleuten -- zu bewegen; das Turnen oder die Gymnastik aber auf die möglichste körperliche Ausbildung jedes einzelnen Mannes, so daß dea Eine in das Andere greift, Eins dem Anderen hilft und Beides zusammen nach und nach den vollkommenen Soldaten macht, der sich, je nach Lage der Dinge, vollständig auf sich selbst verlassen oder sich am wirksamsten in die große Masse einfügen kann, Zum Turnen gehört wesentlich auch das Bajonetfechten, von welchem seiner Zeit ebenfalls ausführlich die Rede sein wird.

      Gymnastik heißt eigentlich nach dem alten griechischen Worte: die Nackt-Uebung, weil sich die Griechen bei ihren Körper-Uebungen im Springen, Schwingen und Ringen aller Kleider entledigten, was ihnen übrigens keine besondere Mühe machte und keine Erkältung zuzog, denn sie trugen bei dem heißen Clima ihres Landes überhaupt nicht viel Kleider. Ein Gymnasium hieß bei ihnen der Ort, wo solche Nackt-Leibes-Uebungen angestellt wurden, was auf ein heutiges Gymnasium doch aber nicht mehr recht passen würde. Ob sie es damals schon genau eben so gemacht haben, wie jetzt das Turnen und die Militär-Gymnastik betrieben wird, ist freilich nicht bekannt; daß sie aber diese Leibes-Uebungen sehr lebhaft und allgemein betrieben, daß der Einzelne wie der Staat ihnen einen Theil der Erfolge, des Ruhmes und der Wohlfahrt verdankten, von denen alle Geschichtsschreiber voll und Denkmäler bis auf unsere Zeit gekommen sind, das weiß man desto genauer. Von Natur körperlich nicht so kräftig, wie ihre nördlichen Nachbarn, suchten die Griechen und Römer durch Gewandheit, Geschwindigkeit und Schnelligkeit zu ersetzen, was ihnen abging, und wenn man die Abbildungen dieser gymnastischen Uebungen und Kampfspiele auf alten Kunsterken sieht, so überzeugt man sich leicht, daß die Sache wirklich ganz allgemein und vom ganzen Volke betrieben wurde. Später verloren sich dies Uebungen, als die nordischen Völker mit den Völkerwanderungen den Süden überflutheten und bewiesen hatten, daß schließlich auch die größte Gewandheit und Geschicklichkeit der größeren natürlichen Kraft in der Masse unterliegen muß. Namentlich kam seit Erfindung der Feuerwaffen jeder Gedanke an regelrechte, nach wissenschaftlichen Grundsätzen betriebene Leibes-Uebungen abhanden, und erst im Anfange diese Jahrhunderts versuchten die Lehrer in der Erziehungs-Anstalt zu Schnepfenthal nicht allein den Geist, sondern auch den Körper ihrer Zöglinge zu üben, Die Sache wurde Anfangs, wie so vieles Gute und Mützliche, bespöttelt, brach sich aber doch sehr bald Bahn, so daß im Jahre 1810 in der Hasenhaide bei Berlin der erste öffentliche Turnplatz errichtet werden konnte und das Turnen sich bald durch ganz Deutschland verbreitete. Auch beim Militär wurden dergleichen Uebungen eingeführt, besonders als das Bajonetfechten, zuerst in der Königlich Sächsischen Armee, zur Anwendung kam; aber zu rechter Ordnung und Uebereinstimmung gelangten sie doch erst nach dem Jahre 1847, wo die große Central-Turn-Anstalt in Berlin eingerichtet wurde, aus welcher die Lehrer für die ganze Armee hervorgehen sollten; denn bein Turnen oder bei der Militär-Gymnastik kommt es mehr auf die Lehrer, als auf die Schüler an, weil jeder mit gesunden Gliedmaßen begabte Mensch mit der Zeit seinen Körper auch zu den schwierigsten Bewegungen und Kraftäußerungen bringen kann, ohne daß er sich Rechenschaft zu geben braucht: Warum, aus welchen Ursachen und Gründen oder nach welchen Naturgesetzen das geschieht? Falsch betriebene Leibes-Uebungen können aber dem Körper eben so viel schaden, als richtig betriebene ihm nützen, und Alles, was in der Armee eingeführt und von den Soldaten verlangt wird, muß nach bestimmten, genau vorgeschriebenen Regeln geordnet sein, was seit dem nun achtzehnjähringen Wirken der Central-Turn-Anstalt - denn von 1848 bis 1851 was sie geschlossen -- auch geschehen ist, denn mit jedem Jahre zeigte sich der Einfluß der aus dieser vortrefflichen