Köln/St. Maria im Kapitol

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Altar und Lettner
Grablegung Jesu Christi

Geschichte


Zweite Hälfte des 1. Jh. oder 2. Jahrhundert

In der Südostecke der Römerstadt entsteht ein mächtiger Tempel, der sog. Kapitolinische Trias geweiht: den Göttern Jupiter, Juno, Minerva. Der Podiumstempel von 30 x 32 m besitzt eine dreiteilige Cella. Der Fundament-Rost des Tempels und zahlreiche Architekturstücke und Werksteine sind im heutigen Kirchenbau erhalten. Um den Tempel erstreckt sich ein 100 x 70 m großer, ummauerter Temenos-Bereich (Tempelhof), der an drei Seiten von Straßen, im Osten von der rheinseitigen Stadtmauer umgeben ist. Zugänge liegen im Westen, Norden und Süden. Die Hoffläche umgeben Säulenportiken oder mit Ädikulen gegliederte Mauern. Teile der Temenos-Mauer sind in der östlichen Kreuzgangwand in im Garten südlich der heutigen Kirche erhalten.


5. bis 7. Jahrhundert

Besiedelungsspuren und Bestattungen im Umfeld des Tempels. Die Hausmeier der merowingische Könige besitzen innerhalb des ummauerten Tempelbezirks gegen Ende des 7. Jahrhunderts einen herrschaftlichen Hof.


Um 700

Plektrudis, die Ehefrau des merowingischen Hausmeiers Pippin des Mittleren (679-714), stiftet in den Mauern des römischen Tempels eine der heilige Maria geweihten Kirche und einen Frauenkonvent. Für diese erste frühmittelalterliche Kirche wird die östliche Säulenvorhalle vermauert und der Eingang an die Westseite verlegt. Die seitlichen Cellae fungieren dabei vielleicht als „Nebenschiffe“; die ehemalige Vorhalle wird zum Presbyterium mit dem Hauptaltar umgestaltet. Die 736 verstorbene Plektrudis wird in einem Bodengrab mit Steinsarkophag vor dem Altar beigesetzt. Das Grab bewahrt seinen angestammten Platz im Mittelschiff bis zum Jahr 1666, danach wechselt es mehrfach seinen Platz in der Kirche. Heute befindet sich die Tumba – bedeckt mit der romanischen Bildnisplatte der Stifterin – im Nordseitenschiff. Die erhaltene gotische Grabplatte mit dem Bild einer Stifterin mit Kirchenmodell aus der Zeit um 1280/90 ist nicht eindeutig mit dem Plektrudisgrab zu verbinden.


8. bis 9. Jahrhundert

Im frühkarolingischer Zeit wird ein Dreiturmwestbau angefügt.


Mitte des 10. Jahrhunderts

Erzbischof Bruno (953-965) versetzt die an der Marienkirche ansässigen Kleriker nach St. Andreas und siedelt Benediktinerinnen des Klosters Remiremont (Vogesen) an der Kirche an. In seinem Testament von 965 bedenkt er St. Maria im Kapitol mit reichen Stiftungen zur Ausstattungen der Kirche und zum Ausbau des Klosters.


Um 1040 bis 1065 – der salische Kirchenbau

Erzbischof Hermann II. (1036-1056) und seine Schwester Ida (1049-1060) aus der Pfalzgrafenfamilie der Erzzonen stifteten einen Neubau der Kapitolskirche. Dabei werden vom ehemaligen römischen Tempel das Fundament und große Mengen Steinmaterial genutzt. Die Erzzonen sind mit dem sächsischen Kaiserhaus versippt und den Saliern eng verbunden. So ist Hermann II. auch Erzkanzler Kaiser Heinrich III. und Vorsteher der kaiserlichen Kapelle. Für ihn ist ein Grabgelege in der Krypta vorgesehen; Ida steht als Äbtissin dem zugehörigen Benediktinerinnen-Konvent vor.


Erste Planung

Gemäß dem ersten Plan beginnt man zunächst die Krypta östlich vom Tempelfundament zu bauen und errichtet auf dem Fundament das dreischiffige basilikale Langhaus. An dieses schließt sich ein Westbau mit drei Türmen an, im Osten ein kleeblattförmiger Chorbau (Trikonchos). Für die mittlere Chor-Apsis ist wohl ein 3/6-Schluss vorgesehen. Die Sockelgeschosse der drei Konchen ragen unmittelbar über der römischen Tempelterrasse auf und sind – anders als heute – auf Ansicht geplant. Sie haben jeweils unterschiedliche Gliederungen aus Lisenen und Rundbogenfriesen.


Planwechsel während der Bauzeit

Während man die Krypta baut, kommt es zum Bruch der Fundamentplatte und zu damit verbundenen Bauschäden. Daraufhin ändert man offenbar den Plan für den Trikonchos: Dessen Grundriss weist nun drei halbrunde, von Umgängen begleitete Konchen (von concha = Muschel) auf, die über Vorjoche an die Vierung anschließen. Mögliche Vorbilder für diesen Bau finden sich in der antiken Architektur; für die Umgänge war vielleicht die Stiftskirche St. Remaklus in Stablo aus dem 11. Jahrhundert anregend.

Die östlich vor das Tempelfundament in den Uferhang des Rheins gesetzte Krypta hat einen dreischiffigen, fünfjochigen Mittelraum mit 3/6-Schluss, an dessen Polygon radial Kapellenräume anschließen. Seitlich des Mittelraums liegen quadratische, vierjochige Nebenräume; in sie führen Treppen aus den Seitenschiffen des Langhauses. Die Kapitolskrypta ist eine verkleinerte Nachbildung der wenig vorher entstandenen Krypta des Kaiserdoms in Speyer. Für ihre Funktion als erzbischöfliche Grablege kann die im frühen 11. Jahrhundert entstandene Krypta des Bischofs Bernwald (993-1022) in St. Michael in Hildesheim (1015-1033) Vorbild gewesen sein.


Der Kirchenbau des 11. Jahrhunderts

Durch Anschüttungen an den Sockel des Trikonchos – vor allem an die Querkonchen – können die Portale zur Kirche verlegt werden. Zuvor war sie wahrscheinlich Türen in den westlichen Jochen der Seitenschiffe zugänglich. Nun baut man langgestreckte Vorhallen an Nord- und Südkonche; sie führen zu neuen Portalen in den Konchenscheiteln, die sich zu den inneren Umgängen öffnen. Im Portal der Nordkonche sitzt die erhaltene romanische Bildertür. Hier ist der Zugang für die Laien von der Stadt her, während der heutige Westeingang in den ehemaligen Klosterbereich führt. Die Chorpartie des 11. Jahrhunderts sieht wesentlich anders als heute aus nach dem Wiederaufbau des 20. Jahrhunderts. Die Querkonchen und ihre Vorjoche sind deutlich niedriger als die mittlere. Die Anlage wirkt damit weniger einheitlich, sie hat eine deutliche Ausrichtung nach Osten. Über der Vierung steht entweder ein quadratischer Turm oder befindet sich nur ein Zeltdach. Von der Außengliederung kennt man nur die der Umgänge der Querkonchen: Pilaster mit Kelchkapitellen im Wechsel mit Halbsäulen und Würfelkapitellen. Die ursprüngliche Gliederung der mittleren Konche und des seitlichen Obergadens ist aufgrund der späteren Veränderung nicht bekannt.

Im basikalen Langhaus trennen steil proportionierte Arkaden auf breiten Pfeilern die Schiffe. Das westliche Arkadenpaar ist schmaler und wird noch während des Mittelalters aus statischen Gründer vermauert. Einfache Rundbogenfenster mit farbiger Rahmung aus Tuff- und Backsteinen belichten den Raum. Der Obergaden ist glatt belassen; das Mittelschiff schließt eine Flachdecke oder ein offener Dachstuhl ab. Das flachgedeckte Langhaus von St. Gertrude in Nivelles mit ähnlicher Pfeilerstellung (Neubau unter der Ezzonin Richenza, + 1049; Weihe 1046) könnte hierfür anregend gewesen sein. In der Öffnung der Empore des Westbaus steht ein doppelgeschossiges Arkadengitter nach dem Vorbild des Aachener Doms. In den kreuzgratgewölbten Seitenschiffen, die sich in den Umgängen der Konchen fortsetzen, gliedern Halbsäulenvorlagen mit Würfelkapitellen die Wände. Die Umgänge im Trikonchos öffnen sich im weiten Bogen auf Säulen zum inneren Raum. Die Würfelkapitelle entsprechen jenen von St. Michael in Hildesheim (1015-1033). Ein dreileiger Westbau, der den karolingischen Vorgänger überbaut, entspricht rheinischer Tradition. Er besteht aus einem hohen, vortretenden quadratischen Mittelturm und seitlichen, sukzessiv entstandenen und daher im Detail sehr unterschiedlichen Treppentürmen mit runden und polygonalen Geschossen.

Die Klausurgebäude entstehen im Westen der Kirche um einen Kreuzgang. Im Lauf des Mittelalters kommen Wirtschaftsgbäude, einige Kapellen, ein Hospital und das Wohnhaus der Äbtissin hinzu. Den mittelalterlichen Immunitätsbezirk mit Kirche und Stiftsgbäuden markieren heute die Hohe Straße und Pippinstraße, der Marienplatz und der Lichof. Das südliche Immunitätstor, das sogenannte Dreikönigenpförtchen mit der Skulpturengruppe des frühen 14. Jahrhunderts (Original im Museum Schnütgen) ist erhalten.


5. Juli 1049

Weihe des Kreuzaltars durch Papst Leo IX. (1049-1054) in Anwesenheit des Kaisers Heinrichs III. (1039-1056) und zahlreicher Bischöfe. Zu diesem Zeitpunkt ist das Langhaus vollendet oder weitgehend fertiggestellt. Anlässlich der Weihe stiftet Erzbischof Hermann II. das heute in Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln, befindliche Hermann-Kreuz.


Bis 1065

Der Bau wird auf Initiative des Erzbischofs Anno II. (1056-1075) offenbar in reduzierter und weniger aufwändiger Form fertiggestellt und 1065 geweiht.

St. Maria im Kapitol ist in Mittelalter und Früher Neuzeit eine der wichtigsten Stationskirchen in Köln. Über Jahrhunderte feiert der Erzbischof hier die erste Weihnachtsmesse; die Kirche ist Ausgangspunkt der wichtigsten Bittprozessionen von Rat und Klerus zum Dom. Auch die offiziellen kirchlichen Feiern des Rates und die Exequien für Erzbischöfe, Kaiser und Bürgermeister finden hier statt. Der in Aachen neu gekrönte römisch-deutsche König besucht bei einem Aufenthalt in Köln zuerst das Stift und seine Kirche.


1056

Tod Hermanns II. der Erzbischof wird nicht, wie ursprünglich vorgesehen, in der Krypta, sondern im Dom bestattet; die geplante Grablege in der Krypta wird daher nicht ausgeführt.


12. Jahrhundert – die Vergrößerungen in staufischer Zeit

Das Benediktinerinnen-Kloster wird in ein vornehmes Damenstift für die Töchter des bergischen und niederrheinischen Adels umgewandelt. Während des Mittelalters waren bis zu 34 Kanonissen hier ansässig; hinzu kamen bis zu 13 Kanoniker und 22 Vikare. St. Maria im Kapitol gehört damit zu den größeren Stiften in der Stadt und ist bis in die Neuzeit recht wohlhabend.

Bauliche Maßnahmen betreffen im 12. Jahrhundert vor allem den Dreikonchenchor und bieten Gelegenheit, den salischen Bau in Formen der Hochromanik zu verändern: Die Obergaden der Querkonchen werden – nach Einsturz des mutmaßlichen Vierungsturms oder wegen des unsicheren Untergrunds – neu aufgeführt und nun mit Rundbogenfriesen und Lisenen versehen; im Inneren erhalten sie eine Gliederung durch Halbsäulen.

Die Ostkonche wird durch reichere Formen ausgezeichnet: Sie wird deutlich erhöht und erhält nach Vorbild rheinischer Etagenchöre (z. B. St. Gereon, Groß St. Martin, St. Aposteln in Köln) eine Blendarkatur über Halbsäulen, darüber einen Plattenfries und eine abschließenden Zwerggalerie. Im Inneren ist die Ostkonche zweischalig angelegt, mit Laufgang und Doppelsäulen vor den Fenstern des Obergadens. Über dem Vorjoch und der Vierung zieht man Hängekuppeln ein. Der Westbau wird erneut umgestaltet und erhöht.

Im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts erscheint erstmals der Namenszusatz „in Capitolio“ in der Bezeichnung der Kirche. Offenbar ist das Wissen vom römischen Vorgängerbau nicht verloren gegangen.


13. Jahrhunderte

Um 140 wird das Mittelschiff erhöht und eingewölbt; Dienstbündel auf Konsolen an der Hochschiffwand tragen drei sechsteilige Rippengewölbe.


15. Jahrhundert

Spätmittelalterliche Veränderungen durch An- und Einbauten im Osten der Stiftskirche; Aufgrund einer Stiftung der Familie Hardenrath-Schlössgin wird in den 1460er Jahren der Bereich von Vierung und Ostkonche umgestaltet. Gotische Chorschranken verschließen nun die Arkaden des Umgangs; die Stifterfiguren des Bürgermeisters Johann Hardenrath und seiner Frau Sybilla Schlössgin samt der sie empfehlenden Heiligen am Eingang der Ostkonche lassen die Hardenraths 1466 eine Familienkapelle errichten und mit Wand- und Glasmalereien sowie Skulpturen und Gestühl reich ausgestatten; die Sängerempore davor nimmt ein Joch des Umgangs ein. 1493 stiftet der Kölner Bürgermeister Johann Hirtz eine ähnliche Privatkapelle mit Bogenrippengewölbe an der Nordkonche.


Um 1500

Bau einer neuen Sakristei an der Ostkonche. Die romanischen Fensteröffnungen in Seitenschiffen, Umgängen und Obergaden der Mittelkonche werden zu gotischen Maßwerkfenstern vergrößert. Die für sie geschaffenen farbigen Glasmalereien sind vielfach Stiftungen der im Stift ansässigen Kanoniker: Teil der Glasmalereien sind im Nordseitenschiff erhalten.


1516-1519

Kaiser Maximilian I. (1486-1519) stiftet einen – heute verlorenen – Fensterzyklus mit Madonna und Heiliegen sowie kaiserlichen Stifterbildern für den Obergaden der Ostkonche.


1517-1525

Stiftung des höchst aufwändigen, Mecheln hergestellten Hallenlettners (datiert 1523), durch die Brüder Nikasius und Georg Hackenay und ihnen verwandte oder geschäftlich verbundene Familien. Der in Formen der niederländischen Renaissance gestaltetet dreijochige Lettner mit begehbarer Bühne wird im Westteil der Vierung aufgestellt. Szenen aus der Kindheitsgeschichte Jesu und zur Eucharistie in Reliefs sowie große Wappenmedaillons zieren neben Heiligen und Propheten seine Vorder- und Rückseite. Für den unter dem Lettner stehenden Kreuzaltar malt Joos van Cleve (um 1485/90-1540/41) um 1520-1525 ein Flügelretabel mit der Darstellung des Marientodes (heute München, Alte Pinakothek).


Quelle: Infotafel in der Kirche