Herforder Chronik (1910)/013

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Herforder Chronik (1910)
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Der Kreis verwandter Familien schloß sich zur Sippe zusammen, zu jener Vereinigung der Geschlechter, die eng zusammenhielt, deren Glieder von einem überaus festen Bande umwunden waren. Die Sippe trat geschlossen auf, wenn es die Verteidigung ihrer Interessen oder die Abwehr des Feindes galt; sie zeigte sich als festes Gefüge, wenn es wirtschaftliche Betätigung oder Besiedelungsfragen betraf; „sie war der Heeres- und der Rechtsverband“.

Das Eigentum des einzelnen war das Eigentum der Sippe; und wie seine Erwerbungen der Sippe zu gute kamen, so wurden seine Übeltaten auch der Sippe angerechnet. So wenig konnte sich der einzelne der Macht der Geschlechtsgemeinschaft entziehen, daß er die Feinde der Sippe als seine Feinde, deren Freunde als seine Freunde ansehen mußte. Voll zur Geltung kam der Einfluß der Sippe bei gerichtlichen Verhandlungen. Da klagte nicht der Genosse der einen Sippe gegen den einer anderen, sondern es standen sich die geschlossenen Sippen gegenüber. Nur einer Partei wurde der Eid auferlegt, die ihn mit vorgeschriebener Anzahl von Eideshelfern beschwor; danach richtete sich das Urteil, d. h. das Beschworene galt als Recht. Wer sich der Ausführung des Urteils widersetzte, wurde geachtet, „friedlos“ gemacht, d. h. aus dem Frieden, den der Verband der Sippe gewährleistete, ausgestoßen. So war die Sippe das Vorbild des Staates im kleinen.


Die Vereinigung aller Sippen eines Stammes war die Volksgemeinde, die aus der Gesamtheit der waffenfähigen Freien bestand. Sie beriet die öffentlichen Angelegenheiten, entschied über Krieg und Frieden, sie bildete das Gericht, sie stellte das eigentliche Volk dar.

Ihr gegenüber stand die an Zahl weit größere Menge der Unfreien. Der Stand der Unfreien oder Sklaven setzte sich aus mancherlei Elementen zusammen; die im Kriege gefangenen Männer, die Weiber und Kinder unterworfener Stämme wanderten in die Knechtschaft des Siegers.

Dasselbe Los hatten die von ihrem Stamme Ausgestoßenen, die Friedlosen.

Neben diesen Sklaven im strengeren Sinne gab es im Haushalte eines Grundherrn noch Leute, die nicht so vollständig unter der Botmäßigkeit des Herrn standen, aber ihre Abhängigkeit von dem Herrn durch ihre Abgabepflicht bekundeten. Diese Hörigen waren meist entweder frühere Freie, die sich in den Schutz, die Vormundschaft eines Mächtigeren begeben hatten, oder ehemalige Sklaven, denen die Freiheit in einem gewissen Grade geschenkt war.

Die Erscheinung, daß unter den Freien, den Edelingen, eines Volkes diejenigen, welche sich durch Güterbesitz, Klugheit im Rat oder kriegerische Tüchtigkeit auszeichneten, Führer, „Häuptlinge“ des Volkes werden, zeigte sich auch bei den Deutschen. Die Bedeutung und Macht dieser Edelinge stieg dadurch, daß sich junge Leute zu ihrer unmittelbaren Umgebung hielten, in ihren Dienst stellten und so ihr Gefolge bildeten.