Herforder Chronik (1910)/126

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Herforder Chronik (1910)
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wir, daß man den hiesigen Wein mit Honig zu versüßen pflegte, und das sagt wohl genug. Wollten sich die geistlichen und weltlichen Herren und Damen an einem guten Tropfen laben, so hielten sie sich an Rhein-, Mosel- oder Südweine.

Flachs und Leinen.

Wie die Flachsbereitung den Ravensberger von Jugend an begleitet, das drückt der uns bekannte Hengstenberg[1] in dem Verse aus:

„Lieb und Leben ist der Lein.“

Außer den Getreidearten bauten unsere Herforder Vorfahren den Lein (linum usitatissimum) an, um aus seinem Samen das fette Leinöl zu pressen, hauptsächlich aber, um die Fasern seiner Stengel zu Flachs zuzubereiten. Das haben sie Jahrhunderte hindurch so gehalten, und erst seit wenigen Jahrzehnten hat der Anbau dieser Nutzpflanze nachgelassen und in manchen Gegenden gänzlich aufgehört. Zum großen Teil liegt das daran, daß der heimische Flachsbau für die zunehmende Bevölkerung nicht mehr ausreichte und daß die dampfmaschinelle Verarbeitung des Garns das Gewebe billiger herstellen konnte als der altgewohnte Handbetrieb. Zum andern Teil hängt es mit der allmählich sich vollziehenden Umgestaltung der kleinbäuerlichen Verhältnisse, wenigstens in der Umgebung von Herford, zusammen. Der „kleine Mann“ und seine Familie begibt sich in einen gewissen Hörigkeitsgrad zu großen städtischen Fabrikunternehmungen (Zigarrenindustrie), wo er sichereren und höheren Lohn erzielt als bei seiner kleinen landwirtschaftlichen Beschäftigung.

Aus dem Gesagten erhellt, daß die junge Welt dm Flachsbau nur noch vom Hörensagen kennt, vielleicht aber erregt es doch das Interesse eines Nachfahren, im Zusammenhange zu vernehmen, wie die Alten zur Erlangung ihres kleinen Verdienstes auf diesem Gebiete sich haben „quälen“ müssen.

Die Arbeit der Vorfahren am Flachse war in der Reihe der landwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht etwa so nebenher zu erledigen, erforderte vielmehr Umsicht und Verständnis, beanspruchte viel Zeit und verursachte Mühen und Sorgen.

Solange der Lein auf dein Felde steht, erfreut er wie kein anderes Ackergewächs das Auge. Die biegsamen, oben ästigen, in einen Wedel schmallanzettlicher Blatter auslaufenden und in erquickendstem Grün schimmernden Stengel stehen dicht zusammen, der leiseste Windhauch bewegt sie in anmutigen Wellen. Und wenn erst die himmelblauen Blüten die Gipfel der Pflänzchen krönen, gewinnt so ein Leinfeld den Preis vor allen Ackerflächen. Wie oft haben wir in vergangenen Tagen an dem blauen Gewoge der Leinfelder in der Herforder Feldmark unsere Freude gehabt!

  1. Hengstenberq, Karl, a. a. O.