Australische Auswandererbriefe (1934)/28

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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„Square-heads sind wir; und Deutsche bleiben wir wie Großvater einer war.“ Ihr müßt mal so eine Sedanfeier in unserer Schule miterleben, wenn sie da singen „Deutschland über alles.“ Dann sprühen die Augen; und die Engländerjungs haben an solchem Tage wahrlich nichts zu lachen und reißen vor unsern Bengels aus wie Schafleder.

Landplage

den 10. November 1913.

Liebe Onkels und Tanten; liebe Vettern und Basen!

      Vater meint, ich sei nun schon groß genug, um selber einmal einen Brief nach Deutschland zu schreiben. Da hat er ja wohl recht. Ich bin schon so groß, daß Vater meint, wenn ich in Paplitz wohnte, müßte ich bei der Garde in Berlin dienen wie Vetter Adolf, von dem Ihr uns das Bild mit dem schönen Helm schicktet.

      Ich bin 17 Jahre alt. Ich bin der Jüngste hier zu Hause. Ich heiße Fritz wie mein Vater. Vater meint, das hieße eigentlich Friedrich; und so hat Großvater geheißen, aber den habe ich nicht gekannt. Ich habe noch zwei Brüder und eine Schwester. Bruder Wilhelm ist schon 33 Jahre alt; er ist in Adelaide ein Menschendoktor. Er kommt alle Jahre einmal zu Besuch; ich habe bei ihm und Tante Ella gewohnt, als ich in Adelaide in die deutsche Mittelschule gehen mußte. Tante Ella ist auch eine deutsche Frau; ihre Eltern sind aus dem deutschen Lande Rheinland und haben in Adelaide einen großen Weinkeller. Bruder Robert ist 27 Jahre alt und auch schon verheiratet. Er hat auch eine deutsche Frau, die ist bei der deutschen Stadt Breslau geboren. Er hat eine große Farm dicht bei der austral. Stadt Kapunda. Unsere Schwester heißt Emmi wie meine Tante. Sie ist 10 Jahre alt und fein anzusehen, wenn sie sich Sonntags schmuck macht. Sie hat ganz lange blonde Zöpfe, die reichen bis an ihre Knie. Wenn sie gewollt hätte, wäre sie schon verheiratet mit einem reichen Engländer. Aber sie will ihn nich.

      Sie will einen Deutschen. Ich nehme auch ein deutsches Mädchen als Frau. Das wollen die Eltern so; und in der Schule haben wir uns das auch geschworen. Und sein Wort muß man doch halten. Vater ist jetzt 63 Jahre alt. Er ist noch riesenstark. Wenn mal ein Farmhand mit dem Wagen nicht zurechtkommt, Vater schiebt ihn ganz allein. Er hat harte Finger. Wenn er mir damit hinten eine vorbrennt, das spürst Du noch drei Tage nachher. Mutter wird erst 60 Jahre; aber sie ist immer viel krank. Vater meint, wir sollen sie in Schafwolle packen und ins Glasspind setzen. - - Jetzt guckt sie mir gerade über die Schulter beim Schreiben. „Verdrehter Bengel“, sagt sie, „wer wird denn seine Eltern schlechtmachen? Wie heißt das 4. Gebot?“

      Ich bin erst seit drei Wochen wieder bei den Eltern. Vorher war ich in Adelaide auf der deutschen Mittelschule. Das war schön und schlecht. Schön waren Turnen und deutsche Lesestücke und deutsche Kriegsgeschichte. Schlecht war englisches Rechnen und englische Landeskunde. Da haben wir einen deutschen Oberlehrer gehabt, der war Offizier bei den deutschen Kanonen gewesen; aber hier hat er auch solche Kleider getragen wie andere Leute. Au - der konnte aber erzählen von dem Alten Fritz und wie die Engländer und der Blücher den Napoleon bei Bellealliance verdreschten und von den Düppeler Schanzen, von Sedan und von Paris. Da hat er uns

<Zeile fehlt>

mat ein ganzes Buch vorgelesen. Das hat mir Onkel Wilhelm in Adelaide zum Geburtstag geschenkt. Es heißt: Peter Mohrs Fahrt nach Südwest. Das kann ich auswendig; und Vater meint, sowas hielten auch bloß deutsche Soldaten durch.

      Am liebsten haben wir immer feine Gedichte gelernt. Mein Liebling ist der deutsche Dichter Schiller; von dem lerne ich die längsten Gedichte. Der Oberlehrer brachte auch öfter kleine bunte Bücher mit oder deutsche Zeitungen. Da gibt es einen deutschen Mann, der heißt Hermann Löns; von dem las er uns immer Tiergeschichten vor.