Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/134

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Unter allen großen, schönen Mädchen,
Die ich öfters hatte mir beschaut,
Wählte endlich ich mein theures Käthchen
Im October mir zu meiner Braut.
Doch wie selig dreimal ich gewesen
Und wie traurig in dem Ehestand,
Ist in meinen „Rosen“ nachzulesen,
Die ich niederschrieb mit treuer Hand.
Als an meines ersten Weibchens Seite
Ich im zweiten Jahre ruhig schlief,
Hatten einst wir eine Anzeig' beide,
Die uns eiskalt über'n Rücken lief.
Plötzlich hörte ich im Schlaf erschallen
Meines Täubchens angsterfüllte Stimm':
„Ach, das Kind ist aus der Wieg' gefallen!“
„Spamer, siehe doch geschwind nach ihm!“
Ich lag vorn im Bette, und die Wiege
Mit dem Karlchen stand so nah davor,
Daß ich seine sanften Athemzüge
Alsobald vernahm mit meinem Ohr.
Darum sprach ich gleich zu meinem Schätzchen:
„Unserm Kinde ist kein Leid geschehn,“
„Denn es schläft gesund auf seinem Plätzchen,“
„Und ich höre seinen Athem gehn.“
„Aber woher kommt denn das Gejammer,“
Fiel sogleich mein Weibchen wieder ein,
„Das ich höre hier in unsrer Kammer“
„Und das mir durchdringet Mark und Bein?“
Aus der Kammer lief ich nun in's Zimmer,
Um ein Licht da anzuzünden schnell,
Und vernahm das klägliche Gewimmer
Eines Kindes unterm Tische hell.
Da begann ein Unglück ich zu wittern
Und, so unerschrocken sonst ich war,
Doch am ganzen Leibe zu erzittern
Vor der noch verborgenen Gefahr.
Auch die Stubenthüre so erkrachte
Durch von außen angewandten Druck,
Daß ich jeden Augenblick gedachte:
Jetzo bricht sie bei dem nächsten Ruck.
Deßhalb mußte ich zugleich vermuthen,
Daß auch Diebe eingebrochen sei'n,
Welche, während wir im Schlafe ruhten,
Wollten dringen in das Zimmer ein.
Eiligst konnte ich jedoch nicht zünden
In der Dunkelheit ein Licht mir an,
Weil ich suchen mußte, um zu finden
Feuerzeug und einen Schwefelspan.
Aber als das Licht auch endlich brannte,
Und ich konnt' das Zimmer ganz durchspäh'n,
War doch, wie mit Staunen ich erkannte,
Keine Spur von einem Kind zu sehn.
Darum sagte ich zu meinem Käthchen:
„Liebchen, bleibe ruhig nur und still“
„Liegen da in Deinem warmen Bettchen;“
„Während ich das Haus durchsuchen will!“
„Denn ich glaub', wir werden jetzt bestohlen,“
„Und die Diebe sind schon in dem Haus!“
Damit nahm ich Licht und zwei Pistolen,
Spannte sie und ging zur Thür' hinaus.
Alle Stuben, Kammern, Speicher, Küche,
Keller und den Abtritt auch sogar
Habe ich durchstöbert zur Genüge;
Doch ein Spitzbub nicht zu finden war.
Weil ich meinen Zweck nun nicht erreichet,
Stimmten ganz wir darin überein,
Daß ein Kind sich habe angezeiget,
Das aus unsrer Freundschaft müsse sein.
Bald die Nachricht ich erhalten habe,
Daß gestorben sei in jener Nacht
Meines Bruders Karl, ein schöner Knabe,
Und noch meiner sehnlichst hab' gedacht.
Dieses Kind war ganz an Leib und Seele
Hier schon einem Engel Gottes gleich;
Darum ward von Gott es ohne Fehle
Aufgenommen in das Himmelreich.
Auch dem Vater wurde angezeiget
Vorher dieses seines Kindes Tod,
Wie er selber nachher mir bezeuget,
Als es schon gegangen war zu Gott.
Als sein Leben noch drei Tage währte,
Pocht' es dreimal über ihm so laut,
Daß dem Vater, der das Pochen hörte.
Augenblicklich hat davor gegraut.
An dem nächsten Abend pocht' es wieder
Auf der Oberstube, zweimal nur;
Da schon sank des Vaters Hoffnung nieder,
Die er hatte auf des Lieblings Cur.
Als es auch am dritten Abend pochte,
Und zwar jetzo nur ein einzig Mal,
Auch der Vater gar nicht mehr vermochte
Zu erblicken einen Hoffnungsstrahl.