Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/246

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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nicht erklären und begreifen könne, und will auf diese Frage hier antworten, ohne dabei chronologisch zu verfahren.

Zuerst bemerke ich im Allgemeinen, daß ich in dem genannten Hause sehr oft, sowohl allein, als auch gemeinschaftlich mit Andern Mancherlei gehört habe, was Niemand aus bekannten, natürlichen Ursachen erklären kann. Dahin gehört besonders das Wandern in manchen Zimmern, welches ganz deutlich den Ton eines hin und her gehenden Menschen verursachte, ohne daß zu derselben Zeit ein Mensch in jenen Zimmern war; ferner häufiges Pochen und Thüren-Zuschlagen, welches ebenfalls von keinem Menschen, Thüre, Zugwinde oder sonst einer begreiflichen Ursache herrühren konnte, und endlich das Abziehen der Bettdecke oder der Versuch desselben in Nächten, in welchen außer den im Bette Liegenden Niemand in demselben Zimmer war.

Exempla illustrant, sagt man mit Recht, deswegen will ich das im Allgemeinen Angeführte anschaulicher zu machen suchen durch nachfolgende Beispiele.

Erstes Beispiel.

Im Jahr 1827 wurde ich eines Sonntagsmorgens, als es noch ziemlich dunkel war und ich in der oberen Stubenkammer schlief, durch Schritte in der anstoßenden Stube aufgeweckt. Ich dachte, die Magd habe mir schon Waschwasser gebracht, um mich im Schlafe nicht zu stören, die Schuhe ausgezogen, und gehe in den Strümpfen in der Stube herum. Da sie mir jedoch für dieses Geschäft zu lange im Zimmer zu verweilen schien, und die Schritte auch so kräftig und schwer wurden, daß die Fenster zitterten und klirrten, kam mir der Gedanke: es könne auch ein Dieb im Dunkeln da herumtappen. Deshalb ergriff ich den am Bette stehenden Husarensäbel, um damit einem etwaigen Eindringlinge in die Kammer einen guten Morgen bieten zu können, und war, da ich nicht in die Stube sehen konnte, eben im Begriffe aufzustehen und nachzusehen, als ich die Stubenthüre zugehen hörte. Nun spitzte ich die Ohren, um zu hören, ob Jemand die Treppe hinabgehen würde, was ich um so gewisser hätte hören müssen, weil der eine Treppling, wenn man darauf trat, laut krachte. Ich hörte aber nichts, bis in der nächsten Minute die Frau Pfarrerin Steinberger die Hausthüre aufriegelte und die Magd, welche auswärts schlief, in das Haus ließ. Da hörte ich, daß sich beide „guten Morgen“ sagten, und wußte nun, daß die Magd nicht in meiner Stube gewesen sein konnte. Auch war kein Dieb im Hause und kein Fenster offen.

Wer war nun aber so lange und mit schweren Schritten in meiner Stube herum­gewandert? —

Zweites Beispiel.

Vom August 1834 an war mein Bruder Karl ungefähr ein Jahr lang bei mir, theils um sich bei mir auf sein theologisches Examen vorzubereiten, theils um mich in meiner Traurigkeit über den Verlust meines lieben Käthchens nicht allein zu lassen. Erzählte ich ihm die Spuk­geschichten im Hause, so sprach er: Ich glaube Dir zwar das Alles aufs Wort; aber ich möchte es doch auch selbst einmal mit meinen eigenen Ohren hören.

Eines Abends, als wir beide allein im Hause und eben in der Wohnstube mit der Exegese des Briefes an die Römer beschäftigt waren, vernahmen wir beide zugleich, daß Jemand mit starken Schritten in dem Zimmer über uns hin und her ging. Mein Bruder sah mich an mit einer Miene, als sei er plötzlich aus den Wolken gefallen. Ich mußte darüber lachen, und sprach: Hast Du's nun mit Deinen eigenen Ohren gehört? Ja, erwiderte er, jetzt habe ich's selbst gehört, und nun wollen wir's auch auf der Stelle untersuchen. Wir eilten alsbald mit dem Lichte in das Spukzimmer, fanden aber darin weder einen Wanderer, noch sonst irgend etwas, was einer Untersuchung werth gewesen wäre, oder uns den geringsten Aufschluß über die Ursache des Gehörten hätte geben können. Nach gegenseitigem Eingestehen des Unerforschlichen und Un­begreiflichen gingen wir wieder hinunter und setzten uns wieder an unsern Römerbrief. —