Herzfeld (Lippetal)/Herzfelder Wiedemstedden

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Zur Geschichte der Herzfelder »Wiedemstedden«

von Elisabeth Frische, Greven/Westf.

Die Siedlungsgeschichte Herzfelds zeigt sehr deutlich, daß sich seit dem 14.Jhrh. die Siedlungsdichte im unmittelbaren Umfeld der St.Ida-Kirche stark erhöht hatte. Auf Neusiedler, die meist Söhne von Vollbauern waren, denen schon um diese Zeit weder auf Gemeinland noch auf dem Grund der Herkunftshöfe eine Ansiedlungsmöglichkeit geboten war, übte der Bereich um die Kirche und den Pfarrhof eine große Anziehungskraft aus. Bis 1498 hatten sich hier schon 14 "gemeine Kötter" angesiedelt, während zur gleichen Zeit in diesem Bereich 1 Erbe, 4 Halberben und 2 Pferdekötter gezählt werden konnten. Seit dem Ende des 15.Jhrh. kann man deshalb auch von einem Dorf Herzfeld sprechen, das sich bis zum Jahre 1679 weiter verdichtete, da sich bis dahin weitere 9 "gemeine Kötter" und 8 Brinksitzer ansiedelten.

Das Land rund um die Kirche gehörte größtenteils der Pastorat von Herzfeld, der sogenannten Wiedem. Die dort parzellierten Grundstücke waren aber so klein, daß nur ein Kotten darauf paßte, zu dem ein winziges Stück Gartenland gehörte. Diese auf Pastoratsgrund errichteten Kotten wurden Wiedemstätten genannt. Die Wiedemstätter mußten aber durchweg als Tagelöhner, Handwerker oder Schenkwirte ihren Lebensunterhalt erarbeiten, da ihr Kottengrund nicht für die Erzeugung des Existenzminimums ausreichte.

Um 1650 gab es 11 solcher Pastoratskotten oder Wiedemstätten. Es waren dies die Kotten Altehoff, Kannegießer, Wulf, Koch, Schmidt, Lüggers, Sielmann, Temper und Kersting. Auch die Vikary, der Kotten, in dem der Vikar wohnte, gehörte dazu , ebenso das Gogräfen-Haus, in dem der Gograf sein Domizil hatte. Außer dem Gografen und dem Vikar waren alle Besitzer der Kotten der Pastorat gegenüber abgabepflichtig. Die Kotten blieben aber Eigentum der Pastorat. Ausdrücklich heißt es in einer Notiz von 1624, wenn einer aus der Wiedemstätte gantz ausstürbe, so fällt daß Hauß sambt der Stätte eigenthumblich an die Pastorat.

Die Wiedemstätter hatten ein Reihe von Verpflichtungen gegenüber der Pastorat zu erfüllen. So mußte bei jedem Besitzwechsel der Kotten neu „gewonnen“ werden, was durch einen Pachtvertrag bestätigt werden mußte. Dieser Gewinn bestand aus einem bestimmten Geldbetrag, der an den Pastor abgeführt werden mußte. Bei dieser Gelegenheit sollte auch das „wiedemgesinde“ des Pastors einen Thaler als Trinkgeld erhalten. Wurde ein neuer Pastor eingeführt, so stand diesem ein willkomb oder winkauff pro ingressu zu. Meist wurden die Abgaben in Naturalien geleistet. Die Kotten durften von den Pächtern weder vererbt noch verpfändet werden. Zu den Aufgaben jeden Wiedemstätters gehörte es auch, als Postbote jährlich 3 Briefe außer Dorfs zu tragen, jedoch nicht weiter als bis nach Stromberg. Als Hilfspolizisten mußten sie die vom Fronen gefänglich Genommenen bewachen und sie nach dem Stromberger Amtshause mit ihrem gewähr begleiten.

Über die Entstehung der Wiedemstätten hat sich die folgende Geschichte überliefert: Pastor Arnold Mackenbrock (1564 – 1606), ein Sohn des Vogtes Mackenbrock zu Middelburg, wurde in dem bisher streng katholischen Herzfeld als halber Lutheraner angesehen, weil er im Gottesdienst das Abendmahl in beiderlei Gestalten austeilte. Schlimmer noch, er lebte im Konkubinat mit Elsken, seiner Haushälterin, die im Dorf nur die Pastörsche genannt wurde. Mit ihr hatte er angeblich elf Töchter(!), denen er je eine dieser Wiedemstedden als Mitgift gegeben haben soll. Historisch ist dies allerdings wohl nicht völlig begründet, denn die Wiedemstätten stammen, samt den auf ihnen ruhenden Verpflichtungen gegenüber der Pastorat, aus einer viel weiter zurückliegenden Zeit.

Sicher ist, daß schon um 1590 der Herzfelder Gograf Kaspar Gosens einen dieser Kotten innehatte. der seither Gogräfen-Haus genannt wurde. Zu ihm gehörte der Gogräwen- Mersch, der später Schanz-Mersch genannt wurde. Als dann Johann Ludwig um 1616 Gaugraf war, wandte er sich an Pastor Friedrich Winckelmann( 1606 – 1638), um für sich und seine Ehefrau Elsabein Gerdings einen Hausstättenvertrag zu machen, weil in Herzfeld keine andere Behausung zu finden war, die für ihn geeignet gewesen wäre. Von diesem Haus weiß später Pastor Georg Osthaus (1656 – 1672) zu berichten: „Es ist dies Haus...beym Heßen- Schwedischen Krieg zur Verwüstung gerathen, also daß die Erben haben (es) nach Lipstatt verkaufet gehabt , undt dahero hatte sollen abgebrochen undt dahin geführt werden (sollen), wann nicht H. Pastor Winckelman sich selbiges hatte an sich gebracht, der dan solches seiner Tochter Maria, Tönies Schultes Ehehaußfrau, geschenkt .... Bei dieser Gelegenheit teilt er nebenher mit, daß auch sein direkter Amtsvorgänger, Pfarrer Winckelmann, im Konkubinat lebte und eine Tochter Maria hatte, die mit Tönis Schulte verheirat war. Dieser Tönis Schulte bewohnte also das Gografen-Haus, das dicht am Altehof-Kotten liegt, da itzo Johan Sielman, Gerichtsfrohne wohnhaft.

Auf der Wiedemstätte Aldehoff ist schon 1582 ein Lambert Altehoff nachgewiesen, der für die Auffahrt 9 Rtht. entrichtet hat. Er war unter dem Gografen Kaspar Gosens als Gerichtsfrone tätig. Nach ihm übt dieses Amt der schon erwähnte Johan Sielman aus, der auf dem Kotten ansässig ist. Sein Schwiegersohn Gerdt Moters gt. Sylman gewinnt den Kotten 1624. Auch er ist frohne alhir. Weiter heißt es von ihm: Obgedachter Gerdt Sielman und Enniche, Eheleute, haben eine Tochter gezeugt namens Gertrud. Diese Tochter läßt sich mit ihrem Taufdatum allerdings nicht nachweisen, da die Kirchenbücher von St. Ida, Herzfeld erst 1643 beginnen.

Der Aldehoff-Kotten hat, ebenso wie die anderen Wiedemstätten, eine bewegte Vergangenheit. Ich greife hier nur eine Begebenheit heraus, von der in einem Tagebuch12 Pastor Anselmus Rhamans (1700 – 1711) berichtet wird, das er 1706 beginnt und das nach 1711 von seinen Nachfolgern weiter benutzt wird. Pastor Karl Spiekermann (um 1742) hat sich darin folgende Notiz zu der Übernahme des Aldehoff-Kottens durch den Schneider Johan Adam gemacht:


Anno 1744 den 2 ten Martii hatt Joes Adam den WidemKoten AldtHoff für sich und seine künftige frow Elisabeth Aldthoffs, der Wittiben AldtHoff schwester, gewunnen undt haben für die auffahrt oder gewin zu geben versprochen 40 Rthlr, dem H. Sacellano 2 1/3 Rthlr. Hiermit hatt gen(annter) Adam gleich bezahlt 9 Rthlr, daß übrige hatt er versprochen binnen Jahres abzuführen. Nb. daß gewin ist beyden so leidendlich gelaßen, weilen er versprochen die alte AldtHoff zu nemmen, alias ad minimum debuissent dare 50. Imples.


Dieser Eintrag enthüllt eine sehr merkwürdige Geschichte: Auf dem Aldehoff-Kotten lebte im Jahre 1703 der Schneider Tönies Aldehoff mit seiner Frau Anna Haubrock, seinen Töchtern und seinem Gehilfen. Im Status Animarum, den Pastor Anselmus Rhaman in diesem Jahr anfertigen läßt, werden die Bewohner des Kottens genannt:

Antonius Aldehoff, Sartor           45 (* ca. 1658)
Anna Hanebeck, / coniuges           48 (* ca. 1655)
Elisabetha, filia                   18 (* ca. 1685)
Gertrudis, filia                    15 (* ca. 1688)
Maria, filia                        12 (* ca. 1691)
Margaretha, filia                    6 (* ca. 1697)
Joannes Egbertus Rave, Famulus      16 (* ca. 1687)


Gertrud hilft beim Schmied Caspar Wise in der Nachbarschaft. Dort ist auch Clemens Frische, angeblich 15 Jahre alt, als Gehilfe tätig.

Im Jahre 1744 hat sich die Situation auf dem Aldehoff-Kotten verändert. Pastor Rhaman hatte sich bereits im Jahre 1706 notiert: 15. Martius obyit antonius Aldehoff a me provisus. Die Töchter Elisabeth und Gertrud sind inzwischen beide verheiratet gewesen. Jetzt sind sieverwitwet und offenbar kinderlos geblieben. Elisabeth, die 1744 etwa 60 Jahre alt und Witwe des verstorbenen Gerhardus Becker ist, heiratet trotz ihres hohen Alters den sehr viel jüngeren Schneider Johannes Adams, der die vorhandene Aldehoffsche Schneiderwerkstatt übernimmt. Sie bringt den Kotten in die Ehe, an dem ihre Schwester Gertrud immer noch ein Anrecht hat, weil sie dort gewohnt hat. Pastor Spickermann hat anscheinend etwas Mitleid mit dem ungleichen Paar und erläßt ihm einen Teil der Kosten, die bei der Übernahme des Kottens durch einen neuen Bewirtschafter anfallen.

Deshalb steht in dem Übergabevertrag:

Nb. daß gewin ist beyden so leidendlich gelaßen, weilen er versprochen die alte AldtHoff zu nemmen.

Der folgende Gewinnbrief präzisiert die Bedingungen der Übernahme:

Gewinn Nottull für Joan Adam und Elisabeth Althoff , 1744, 22 Apr.

Kundt und zuwißen seye hermit jedermännlichen, daß Joannes Adam welcher mit Elisabeth Aldthoffs in den hl. Ehestandt zu tretten willens ware, bey mir Endtsbenennten erschienen seye, umb für sich undt seine zuckünftige fraw elisabeth, welche er dereinst würcklich geheyrathet, die Althoffsstedde, welche eine ohngezweifelte Widdemstedde mit hauß und garten, der Weddem zum Hertzfeldt zugehörig ist, zu gewinnen; Alß habe ich auff bedingung deß gewins/: welches ermelter Joes Adam mir entrichtet, und wohl bezahlet:/ ihnen beyden die Althoffs stedde mit hauß undt garten, wie sie in ihren hecken, Zaunen und pfälen gelegen, auff ihr lebenszeit nach ihrem nutzen zu gebrauchen, überlaßen, mit dieser beding, und verwahrden, daß sie ermeldte Eheleuthe, mir undt meinen successoribus den alten gewöhnlichen Canonem, oder Erbzinß, nemblich sieben schilling Münsterisch jährlich und alle Jahr umb S. Michaelis richtig und wohlbezahlen sollen, auch hauß und garten in gutem Stande undt baw erhalten, keinerlei weiß versetzen, versplittern, verpfänden oder verkaufen sollen ohne mein oder meiner successoren wißen und willen, undt wen einer von beyden ermeldten eheleuten solte mit todt abgehen /: welches Gott lang verhüten wolle:/ keiner von beyden, noch ihre Kinder, oder in deren Abgang, ihre Verwandten sich wiederumb auff besagter Althoffs Stedde verheyrathen solle, ohne mein oder meiner successoren wißen und willen, sondern solle dieselbe wiederumb bey einem zeitlichen Pastoren als dominum Directum gebührend suchen gewinnen, undt den gewin richtig abstatten. Weilen aber die Wittib Althoff, der Elisabeth schwester, noch für ihre person gewin an besagtem Kotten hatt, alß hatt selbige in soweith den vermeldten newen Eheleuten den Kotten mit allem Viehe, haußgeräthe undt übrigem übergeben, daß sie Zeitlebens von ihnen wolle ehrlich ernähret, gehalten und verpfleget werden, so selbige auch zu thun versprochen. Alles ohne arglist. Urkundt dieses habe ich Endtbenennter dieses mit eigener handt geschrieben und deren nottuln zwey gleichen inhalts Verfertiget undt durch den Namen S. Ida geschnitten und eine dem Joan Adam eingehändiget, und die andere für mich behalten.
So geschehen im Jahr 1744 d 22 Aprilis, Carolus Spickermann, Pastor ad S. Idam

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Quelle: PfA Herzfeld, B VII h1


Johannes Adam nimmt nach seiner Verheiratung den Namen seiner Ehefrau bzw. den des Kottens an. Das ist eine häufig anzutreffende Gewohnheit in der Herzfelder Gegend und erschwert die Erforschung der Zuammenhänge, da die Herkunftsnamen im Laufe der Zeit ganz verschwinden. Im Status Animarum von 1749/50 wird das Ehepaar Adam /Althoff genannt. Es wird aber nicht Elisabeth Althoff als Älteste aufgeführt wie im Status Animarum von 1703, sondern ihre Schwester Gertrud:


Gertrudt Althoff, vidua            60 (* ca. 1690)
Joan Adams, sartor                 35 (* ca. 1715)
Elisabeth Althoff, conjuges        50 (* ca. 1700)


Zwei Jahre später sind sowohl Elisabeth als auch ihre Schwester Gertrud tot. Johan Althoff alias Adam heiratet in 2. Ehe Catharina Westerhoff und muß den Altehoff-Kotten erneut „gewinnen“ . Pastor Carolus Spiekermann notiert: „Ao 1751 def(unc)tis Elise et Gertrude Althoff, deficientibus Agnatis etiam postes (o)ptinebant jurefundi ad pastoratu pre uxore nova Cath. Westerhof dedit 50 Impl.“ Catharina Westerhoff muß allerdings erst einen Freibrief erbringen, weil sie die Tochter eines eigenhörigen Bauern ist. Aber das ist eine andere Geschichte.


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Quelle:
Status Animarum 1749/50 von Herzfeld
Kopie von Norbert Henkelmann, Münster
PfA Herzfeld, B VII h1


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