Selinunt

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Blick vom Osthügel auf die Akropolis von Selinunt

Einleitung

Stadt Castelvetrano

  • 1895: Castelvetrano, Stadt in Italia (Italien), Sicilia (Sizilien), Provinz Trapani, Distrikt Mazzara del Vallo
    • Einwohner: 21.594
    • Zuständigkeit/Einrichtungen: Postbezirk, Telegrafenamt, Eisenbahnstation Palermo <> Trapani.
    • Handel u. Gewerbe: Hafen, Anbau (Reis), Wein, Viehzucht. Handel (Wein u. Oliven).

Selinunt

Selinunt, von den Arabern früher „Casale degli Idoli“ genannt, wurde gegen die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. (628 nach ThukydidesVl 4, 2; 651 nach Diodor XIII 59, 4) von Siedlern aus Megara Hyblaea in der Nähe des Flusses Selinos (heute Modione) gegründet. Die neuen Kolonisten besetzten weite Gebiete des Ackerlandes in Ständigem Konflikt mit den Elymern, zu deren wichtigsten Städten Segesta gehörte, und siedelten sich an den wichtigsten Punkten des künftigen Stadtgebietes an. Im ersten Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. erforderte das rasche Wachstum der Siedlung eine feste Ordnung des Areals in einer Einteilung des Grundes und der Anlage von Straßen.

Langgestreckte Parzellen von 32,80 m (100 dorische Fuß) Breite wurden erschlossen durch breitere Straßen, die zu den Wohnstraßen orthogonal verlaufen. Diese Grundstücke füllten sich mit der Zeit mit Wohnhäusern, die im 5. Jahrhundert v. Chr. in Dimensionen und Bautechnik große Monumentalität erreichten, während die Hauptstraßen mit mächtigen Steinplatten gepflastert wurden. Die Agora, der Ort der öffentlichen Verwaltung, liegt im Bereich zwischen den beiden großen Wohnquartieren und befindet sich 2011 noch in der Ausgrabungserschließung.

Die damaligen Heiligtümer nehmen gesonderte Bereiche im Süden, Osten und Westen ein, in denen Tempel ihrerseits nach Ordnungsschemata angeordnet sind, die aus denen des Stadtplanes selbst abgeleitet sind (besonderer Tempelbereich am Osthügel). Die Tempel, insbesondere die ab der Mitte des 6. Jahrhunderts v.Chr. gebauten Ringhallentempel, sind das bedeutendste Zeugnis des Wohlstandes der Stadt.

Das griechische Selinunt wurde im Jahr 409 v. Chr. von karthagischen Truppen zerstört und geriet in der Folge unter punische Oberhoheit. Die Bevölkerung wurde zunächst vertrieben, durfte dann aber wieder zurückkehren und versuchte vergebens, die Stadt dauerhaft wieder aufzubauen. Die folgenden Jahre war die Siedlung stark umkämpft. Die punische Stadt entstand wahrscheinlich erst in den Jahren nach dem Friedensschluss vom 339/8. Sie hieß nun vermutlich "Kap des Melkart" und musste bereits im Jahr 250 wieder aufgegeben werden, als die römischen Truppen nahten.

Die punischen Siedler richteten sich in den Ruinen ein. Nicht nur in den alten griechischen Häusern baute man neue Wände, setzte neue Türen ein und legte neue Dächer auf, auch im ehemaligen Temenos der Tempel A, C und D wurden nun Häuser zu Wohnzwecken errichtet. Die Tempel selbst wurden gemäß den neuen kultischen Bedürfnissen umgebaut.

Akropolis mit umfassender Stufenmauer

Akropolis:

Die Wohngebäude saßen dicht beieinander und ballten sich zu unregelmäßigen Blocks zusammen. Die neu angelegten Straßen und Sackgassen verliefen kurvenförmig und waren im Allgemeinen deutlich schmaler, so dass sie auch am Mittag Schatten spenden konnten. Die Straßenfluchten der archaischen Stadt wurden beibehalten, die breiten Hauptstraßen aber an ihren Rändern mit Ladenlokalen bebaut. Städtebaulicher Mittelpunkt war der Tempel C, der wahrscheinlich Melquart geweiht wurde und auch als Tempelarchiv diente. In den Straßen und insbesondere auf dem Vorplatz, an den auf seiner Nordseite eine Ladenstoa angrenzte, spielte sich das öffentliche Leben ab.

Im Jahr 250 v. Chr. wurde die verbliebene Bevölkerung vor dem Anmarsch der Römer nach Lilybaeum übersiedelt und die verbliebenen Stadtreste vorher völlig zerstörten. Erst in byzantinischer Zeit wurde der Platz wieder genutzt, dann. von den Arabern eingenommen und wohl auch wieder befestigt. Letzte Spuren der Besiedlung finden sich noch bis in die Zeit der Staufer.

Heiligtümer, Kult

Die in dem Hauptheiligtum der Stadt verehrten Gottheiten und der konkrete Ablauf ihres Kultes lassen sich, wie auch bei den meisten anderen Kultstätten Selinunts, nicht genau bestimmen. Daher werden die Tempel konventionell mit Buchstaben bezeichnet. Nach den Forschungen von E. Gabrici und zuletzt A. Di Vita war dieser heilige Bezirk (Temenos) durch Umfassungsmauern begrenzt. Im Norden und Süden entsprach deren Verlauf den ältesten Ost-West-Straßen des regelmäßigen Stadtplanes aus dem I .Viertel des 6. Jhdts., während er im Osten der abschüssigen Hügelkante dem Gelände folgte. Im Westen bildete die große Nordsüd- Hauptstraße die Grenze.

Die erstenTempel waren hier wie in den Heiligtümern westlich und östlich der Stadt einfache, langrechteckige Gebäude, sogenannte Megara. Ihr monumentaler Anspruch äußerte sich lediglich in der aufwendigen Bauweise aus ordentlich geschichteten Steinquadern und in der Größe des Bauwerks. Um die Mitte des 6. Jhdts. wurde der zentrale Bau, vielleicht schon ein großer Ringhallentempel, durch einen Neubau, den aktuellen Tempel C, ersetzt.Vor seiner Ostfront errichtete man in größerer Entfernung einen entsprechend monumentalen Brandopferaltar.

Diese Baumaßnahmen gingen einher mit einer Erweiterung des gesamten Temenos nach Osten, die mittels einer gewaltigen künstlichen Aufschüttung erreicht wurde. Eine mächtige treppenförmige Mauer stützte sie ab, auf der sich als neuer Abschluss des Heiligtums nach Osten eine L-förmige Säulenhalle (Stoa) erhob.

Im letzten Viertel des 6. Jhdts. errichtete man nördlich einen weiteren großen Peripteraltempel (Peripteros oder Ambulatorium), Tempel D. Der zugehörige Altar stand merkwürdig schräg und in sehr beengter Lage direkt an der Südostecke des Tempels, was wahrscheinlich durch einen älteren Vorgängerbau bedingt ist. Unter den übrigen Sakralbauten fällt der gut erhaltene Altar mit Triglyphenfries besonders auf.

Im Norden findet sich auf einer niedrigeren Terrasse ein durch eine lange Treppe mit dem Haupttemenos verbundener Bereich, in dem wohl noch ein eigenes Heiligtum zu erwarten ist; die Grabung ist hier kurz vor 2010 erst begonnen. In der ersten Hälfte des 5. Jhdts. entstand südlich des älteren Temenos eine neue Kultstätte. Hier begann man mit dem Bau von zwei weiteren großen Ringhallentempeln A und 0, von denen jedoch nur der erstgenannte, samt seinem prächtigen Altar, vollendet worden ist. Im 4. Jh. wurden beide sakralen Bezirke fast vollständig von der punischen Wohnstadt überbaut.

Während der griechische Kult erloschen zu sein scheint, richtete man im Pronaos von Tempel A ein punisches Heiligtum ein. Kurz vor der endgültigen Zerstörung der Stadt (250 v.Chr.) entstand nahe der Südostecke des Tempels C jedoch nochmals ein kleiner Tempel rein griechischen Stils, Tempel B. Er ist besonders für seine gut erhaltene Bemalung berühmt.

Nach Jahrhunderten des Verfalls regte sich erst in byzantinischer Zeit wieder Leben in den Ruinen. Das Kastell, welches über den Trümmern der Tempel A und 0 unter Verwendung von deren Architekturgliedern errichtet wurde, erinnert an nordafrikanische Castra oder islamische Ribats.

Akropolis, Tempel A

Tempel A, Rekonstruktion, Frontseite
Tempel A, Einteilung, Konstruktionsskizze

Nur ein sorgfältiges Studium dieser stark zerstörten Ruinen erlaubt die Feststellung, dass der um die Mitte des 5. Jhdts. v. Chr. entstandene Tempel A der vollkommenste klassische Bau von Selinunt war. Trotz der fortgeschrittenen Verwitterung seiner Architekturglieder ist die klassische Schönheit der präzisen Einzelformen, besonders der Kapitelle, noch zu erkennen. In seinen Abmessungen war Tempel A mit 16.23 x 40.24 m von mäßiger Größe. Eine Ringhalle mit dem bei den westgriechischen Tempeln mittlerweile kanonischen Verhältnis von 6 x 14 Säulen, die an Fronten und Seiten mit gleichen Abständen verteilt waren, umschloss symmetrisch die Cella.

Der Eckkonflikt der klassischen dorischen Ordnung, der dadurch entstand, dass man an der Tempelecke die letzteTriglyphe aus ihrer sonst üblichen Bindung an die Säulenachse nach außen an das Ende des Frieses rückte, wurde an den Flanken allein durch Verengung des Eckjoches (einfache Eckkontraktion), an den Fronten hingegen durch gleichmäßige Verengung der beiden äußersten Joche (doppelte Eckkontraktion) gelöst. Gleichzeitig neigten sich alle Säulen leicht nach innen, wodurch man verbleibende kleine Differenzen ausglich.

Auf diese Weise konnte der Triglyphen-Metopen-Fries des Gebälks als ein völlig gleichmäßiges Schmuckband ausgebildet werden. Dieser auch von den klassischen Tempeln des Mutterlandes bekannte Kunstgriff, der zur Plastizität, Lebendigkeit und Geschlossenheit des Bauwerks beitrug und sich nur durch genaue Messungen feststellen lässt, ist ein weiteres Indiz für den hohen baukünstlerischen Rang vonTempel A. Eine reiche Sima aus kostbarem inselgriechischen Marmor bekrönte seinen harmonischenAufbau.

In der Cella entsprach dem Pronaos, d.h. dem östlichen Eingangsraum mit zwei Säulen zwischen den vorgezogenen Anten, nun ein gleichartig gebildeter Raum im Westen, das Opisthodom. Vom Naos, dem Hauptraum, war auch hier das für die Selinuntiner Kulte offenbar unentbehrliche Adyton als das „Allerheiligste" abgeteilt, in dem das Kultbild aufgestellt war. Von besonderer Raffinesse waren die beiden steinernen Wendeltreppen in derWand zwischen Naos und Pronaos, die wohl nur im Zusammenhang mit uns unbekannten Kulthandlungen erklärt werden können. Sie sind zudem das älteste bekannte Beispiel für diese Bauform in der gesamten Architekturgeschichte.

Der Tempel bildete eine architektonische Einheit mit seinem weit vor der Ostfront liegenden Altar, der seinerseits die reichste Ausformung dieses Bautyps in klassischer Zeit darstellte: Ins Miniaturformat übertragen wiederholte er alle Formen eines großen Peripteraltempels. So umzog den eigentlichen Altartisch eine freistehende Säulenstellung mit voll ausgebildetem dorischem Gebälk Das Ganze erhob sich auf einem entsprechenden Stufenbau. Auf der dem Tempel zugewandten Langseite musste allerdings die für die Kulthandlungen erforderliche breite Freitreppe eingefügt werden, die den Zugang zum Altartisch ermöglichte.

Wiederaufbaumaßnahmen:

Bau und Ausstattung

Dieser größte Kultbau der Akropolis - die Maße der obersten Stufe, d.h. des Stylobats betragen 23.93 x 63.77 m - wurde um die Mitte des 6. Jhdts. v. Chr. errichtet und hat die Form eines Peripteraltempels (Peripteros oder Ambulatorium) von 6 x 17 Säulen. Mit seiner doppelten Säulenfront und der einladenden Freitreppe ist er deutlich nach Osten zum Kultplatz ausgerichtet. Eine weiträumige Ringhalle (Peristasis) umzieht die langgestreckte, noch an die älteren Megara erinnernde Cella. Deren Vorraum - der Pronaos - öffnete sich durch ein mächtiges Tor, dessen zwei Hauptflügel jeweils aus drei beweglichen Elementen bestanden, wie die Spuren auf der Schwelle zeigen. In der Mitte des zentralen Raumes - des Naos - befand sich ein Tisch für den Vollzug von Opfern und zur Aufstellung von Weihgeschenken, während das Kultbild tief im Dunkel des dahinter abgeteilten "Allerheiligsten" (Adyton) stand.

Die unterschiedlichen Säulenabstände an Fronten (ca. 4.40 m) und Flanken (ca. 3.86 m) sowie die erheblichen Schwankungen in den Abmessungen der Säulen selbst - die Durchmesser liegen zwischen 1.72 und 2.02 m - machen das frühe Entwicklungsstadium des Tempels deutlich. In der technischen Ausführung wurden während des Baues entscheidende Fortschritte erzielt, da man von der Verwendung monolither, d.h. aus einem einzigen Steinblock gearbeiteter Säulenschäfte, die sich noch an der Südseite finden, zu einem Aufbau der Säulen aus einzelnen Trommeln überging.

Im Gebälk fällt die enge Stellung von Triglyphen und Metopen auf, die im Gesims zu unterschiedlich breiten Tropfenplatten (Mutuli) zwang. Die Ostfassade war durch die berühmten figürlichen Metopenreliefs, die sich heute im Museum von Palermo befinden, sowie ein riesiges Gorgonenhaupt aus Terrakotta im Zentrum des Giebelfeldes besonders hervorgehoben. Prächtig bemalte Tonverkleidungen rahmten überdies die Giebel der beiden Fronten und schmückten auch den Dachrand an den Seiten. Sie bildeten die reiche Bekrönung des im Ganzen sehr aufwendig gestalteten Tempels. Von den Farben, mit denen nicht nur die Tonverkleidungen, sondern auch die steinernen Bauglieder bemalt gewesen sein müssen, hat sich außer geringen Spuren auf den figürlichen Metopenplatten wenig erhalten. Die wenigen Stuckreste stammen von einer späten Erneuerung.

Östlicher Hügel: Tempel E

Auf dem östlichen Hügel fefindet sich der heute so bezeichnete Tempel E von Selinunt, ein Ergebnis mit sehr umstrittenen Bautechnologien der jüngeren Rekonstruktion. Hier handelte es sich um einen dorischen Peripteraltempel (Peripteros oder Ambulatorium) mit 6 zu 15 dorischen Säulen mit verhältnismäßig kurzem, gedrungen wirkenden basislosen Säulenschäften (5- 6 m) mit flachen Kannelüren, darüber der Kapitellhals (ebenfalls kanneliert) mit der kissenartig gewölbten Echinus und der quadratischen Deckplatte. Er wurde in der ersten Hälfte des V. Jhdts. V. Chr. Höchstwahrscheinlich auf einen viel älteren Vorläuferbau errichtet. Die mit dem vorgebauten Pronaos ausgestattete Cella trug Metopen mit mytologischen Darstellungen, von denen einige im Archologischen Museum in Palermo ausgestellt sind. Viele Hinweise lassen vermuten, dass der Tempel dem Herakult geweiht war.

Blick von der Akropolis auf die Tempel des Osthügels

Tempel E:

Quelle

  • Hic Leones
  • Begehung, Information, Führung und Infotafeln vor Ort.