Tinktur für Mensch und Tier

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<<<Erzählungen aus Schmelz


Tinktur für Tier und Mensch

Von Gerhard Krosien

Pferden gehörte in meiner Kindheit meine ganze Leidenschaft! Jede freie Minute trieb ich mich daher auch bei der Fuhrhalterei Esins in unserer Nachbarschaft herum. Esin hatte nicht nur die unterschiedlichsten Gefährte, um die vielfältigen Kundenwünsche zu erfüllen. Er hatte auch die entsprechenden Pferde dazu: weiße, schwarze, braune, große und kleine, dünne und dicke! Und wer mit Pferden zu tun hat, muss viel und hart für sie arbeiten! Wen wundert es da, dass man bei Esins nur gern gesehen war - schon als kleiner Schmelzer Bowke -, wenn man auch mit anpackte? Ich jedenfalls war dort gern gesehen und hatte immer was zu tun. Wasser und Hafer herbeischleppen, anspannen, ausspannen, striegeln, bürsten und die Hufe der Pferde dunkelbraun lackieren, wenn's mit der Hochzeitskutsche losgehen sollte. Abends wurden die Hufe aller Pferde oft mit rötlicher Desinfektionstinktur bepinselt, um irgendwelchen Entzündungen vorzubeugen.

Höhepunkt und Lohn waren für mich zum Feierabend aber immer, wenn ich in Begleitung eines der Esinschen Bowkes die Pferde am Götzhöfener Wald vorbei auf die Weide am Oberweg treiben durfte. Meist hockte ich dann ohne Sattel auf dem breiten Rücken eines graubraunen Belgiers, der nach eigenem Gutdünken und in schaukelndem Zockeltrab den Weg zur Weide zurücklegte. Ich, der sich in die Mähne des Tieres verkrallt hatte, rutschte immer wieder mal auf die linke, mal auf die rechte Rückenpartie meines breiten „Untermannes“. Meine kurzen Beine schafften es fast nicht, mich in die Mitte des Pferderückens zu stemmen. Aber der Halt in der Mähne, der half!

So weit die Erinnerung. Fragt doch neulich mein Hautarzt, als ich seinen Tupfer mit rötlicher Desinfektionstinktur wohl etwas länger als üblich misstrauisch beäugte, weil sie an meinem Körper Anwendung finden sollte: „Weißt du wohl, was das ist?“ „Natürlich, mit so etwas Ähnlichem haben wir früher Pferdehufe desinfiziert“. „Na, siehst du, was für Pferde gut ist, ist auch gut für Menschen“, lachte der bloß. Und tatsächlich - seine Tinktur hat bestens gewirkt.