Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/113

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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„Doch ist's gut, daß hier ich Sie gefunden,“
„Denn ich sollte Ihnen kund nur thun,“
„Daß bei unserm Pfarrer seit zwei Stunden“
„Ihre Söhne sanft im Bette ruh'n.“
„Sein Sie ihretwegen außer Sorgen,“
„Ihren Söhnen ist kein Leid geschehn,“
„Und Sie werden beide wieder morgen“
„Munter und gesund zu Hause sehn!“
Dankend und mit leichtem Herzen kehrten
Unsre Aeltern nun zurück mit Groh;
Denn die Nachricht, die sie von uns hörten,
Machte sie auf einmal wieder froh.
So war doch der Streifzug nicht vergebens,
Den sie machten in derselben Nacht,
Und sie war die erste meines Lebens,
Welche ich bei Fremden zugebracht.
Früher sollte zwar in Eichelsachsen
Ich einmal bei meinem Freunde Geist,
Der in Burkhards mit mir aufgewachsen,
Uebernachten, als wir hingereist;
Meine Aeltern waren es zufrieden,
Und ich gab dem Freunde auch mein Wort;
Als indessen meine Aeltern schieden,
Lief ich dennoch meinem Freunde fort.
Weinend bat mich dieser und beweglich,
Nur zu bleiben eine einz'ge Nacht,
„Ach das Heimweh,“ rief ich, „macht's unmöglich,“
„Daß ich halte, was ich zugesagt!“ —
Ein französ'scher Officier gab Stunden
Mir und meinem Bruder kurze Zeit;
Das Französ'sche wollte uns nicht munden,
Darum kamen wir auch gar nicht weit.
Hatten wir die Wörter gut gelernet,
Gab er Zuckerplätzchen uns zum Lohn;
Konnten wir sie aber nicht entfernet,
Steckte er uns beide in Prison.
Doch des Pfarrers Schuchard schöne Töchter,
Welche wohnten bei uns in dem Haus,
Ließen, ehe sich's versah der Wächter,
Uns aus der Gefangenschaft heraus.
Daß sie dieses nun nicht wieder könnten
Dachte einmal klüger er zu sein,
Zog den Schlüssel ab mit eignen Händen,
Steckte ihn in seine Tasche ein,
Ging zu unsrer Mutter und erzählte:
Jetzo sitzen sie mir aber fest;
Denn er meinte, weil der Schlüssel fehlte,
Kämen wir auch nicht aus dem Arrest.
Doch wir waren beide flinke Jungen;
Aus dem zweiten Stocke waren wir
Durch das Fenster schnell hinabgesprungen.
Und erschienen eben an der Thür',
Als er uns'rer lieben Mutter sagte,
Daß die Flucht uns jetzt unmöglich sei;
Diese aber rief, indem sie lachte:
„Ei, da sind sie ja schon alle zwei!“
Staunend sah er, daß wir echappiret
Waren doch aus der Gefangenschaft,
Und er hat es später nicht probiret,
Wieder uns zu halten in der Haft.
Bis zum Jahre achtzehnhundertsieben
Wohnten Pfarrer Schuchard noch im Haus,
Und so lange kamen meine lieben
Aeltern mit der halben Pfründe aus.
Sechszehn Jahre lang lag krumm gezogen
Schuchard von der Gicht in seinem Bett,
Und das Kinn bis zu dem Knie gebogen,
Kam er nie von seiner Lagerstätt'.
Eßlust hatte er wie ein Gesunder,
Ward jedoch gefüttert wie ein Kind.
Seine Gattin war besorgt und munter
Und im Unglück engelgleich gesinnt.
Nicht genug, daß sie der Welt entsagen
Mußte bei dem krüppelhaften Mann,
Nein, sie ließ sogar sich von ihm schlagen,
Was man kaum für möglich halten kann.
Noch unglaublicher, daß sie das Stöckchen,
Womit er die treue Gattin schlug,
Weil er sich nicht rühren konnt' vom Fleckchen,
Selbst geduldig ihm an's Bette trug!
Als ob sie nicht schon genug geschlagen
Wäre mit dem Mann, der nie gesund,
Konnt' er noch mit Eifersucht sie plagen,
Ohne, daß er dazu hatte Grund.
Damals war ich noch ein kleiner Knabe,
Noch in meinem vierten Lebensjahr,
Und wie ich die Frau geliebet habe,
Ward mir erst bei ihrem Abschied klar.
Denn ihr Minchen war mein erstes Schätzchen,
Das ich für mein Leben gerne sah,
Und wenn sie mir gab ein süßes Schmätzchen,
Oh, wie überglücklich war ich da!