Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/114

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Schon besang in einem andern Liede
Ich die holde Jungfrau seiner Zeit,
Und es that mir, als sie von uns schiede,
Wahrlich auch von ganzer Seele leid.
Doch als ihre Mutter nach der Chaise
Ging, um zu verlassen unser Haus,
Da erst brach mein Schmerz mit Riesengröße
In verzweiflungsvolles Weinen aus.
Alle steckt' ich an mit meinen Schmerzen,
Alle weinten laut am Chaisenschlag,
Wo ich krampfhaft schluchzend an dem Herzen
Meiner lieben „Drobenmutter“ lag.
Nichts vermochte mich von ihr zu trennen.
„Nein“, rief ich, „Du darfst nicht fort von hier!“
„Und wenn Du nicht solltest bleiben können,“
„Ach, so nimm mich lieber auch mit Dir!“
„Nun, so setz' Dich zu mir in den Wagen,“
Sprach sie, „und begleite mich ein Stück;“
„Wenn ich dann Dir Lebewohl muß sagen,“
„Kehrst zu Deinen Aeltern Du zurück!“
Als wir in den Wagen eingestiegen,
Nahm gerührt sie mich auf ihren Schooß,
Und als sie begann mich sanft zu wiegen,
Fuhr der Kutscher auch sogleich drauf los.
Jetzo fing sie zärtlich an zu bitten,
Daß ich vor dem Dorf zurückekehr,
Weil sonst meine Aeltern zu viel litten,
Wenn sie hätten keinen Christian mehr.
Und wir könnten uns ja wiedersehen,
Wenn sie selbst den Weg nach Burkhards nähm',
Oder wenn ich mit der Mutter gehen
Könnte, und zu ihr nach Grünberg käm'.
Endlich küßte sie mich unter Thränen,
Und der Kutscher hob mich übern Schlag;
Mit verweinten Augen und mit Stöhnen
Sah ich stehend ihrem Wagen nach.
„Gott, der Du sie hast hinweggenommen,“
Rief ich aus mit thränenschwerem Blick,
„Laß die Drobenmutter wiederkommen!“
„Führe sie recht bald zu uns zurück!“
Drobenmutter hab' ich sie geheißen,
Weil sie oben in dem Hause war,
Und sich immer suchte zu erweißen
Gegen mich als Mutter ganz und gar.
Einmal habe ich nur noch gesehen
Diese heiß von mir geliebte Frau,
Als im achten Jahr ich konnte gehen
Mit der Mutter auf die Rabenau.
Als wir da nach Grünberg sind gekommen,
Blieben wir, wie wir es ausgemacht
Und uns Jahre lang schon vorgenommen,
Bei der Drobenmutter über Nacht.
Von der Reise war ich sehr ermüdet,
Und mit Schmutz bis an das Knie beklebt;
Doch die Wirthin hat es mir vergütet,
Und ihr Anblick bald mich neu belebt.
Anfangs kannte sie mich zwar nicht wieder;
Als sie aber hörte, daß ich's sei,
Ließ sie auf ein Knie sich vor mir nieder,
Und that einen lauten Freudenschrei.
Hob', was auch die Mutter ein mocht' wenden,
Mit dem Schmutz mich schwebend in die Höh';
Trug mich sanft auf treuen Mutterhänden
Hin zu ihrem schönen Canapé;
Stellte einen weichen Stuhl daneben;
Legte meine Füße ungeputzt
Auf denselben, ohne drauf zu geben,
Daß er von denselben ward beschmutzt.
Kurz, sie wußt' ihr inniges Entzücken,
Daß sie mich nach Jahren wiedersah,
Nicht genug und völlig auszudrücken,
Weil wir eine Nacht nur blieben da.
An dem nächsten Morgen, als wir schieden,
Hab' ich sie zum letzten Mal gesehn;
Denn sie sollte bald zum Himmelsfrieden
Aus dem Zeitlichen hinübergehn.
Ihre schöne Tochter Wilhelmine
Gab statt ihrer uns noch das Geleit,
Und auch sie — wer hätt's gedacht — erschiene
Nie mir wieder in der Folgezeit.
Damals blühte sie wie eine Rose,
Die das Aug' entzückt durch ihre Pracht;
Nunmehr ruht sie längst schon unterm Moose
In der ungestörten Grabesnacht.
Welche Kraft in schönen Mädchen lieget,
Kann aus ihrem Beispiel man ersehn;
Denn sie hat den Landesherrn besieget,
Daß er Gnade ließ für Recht ergehn.
Als ihr Bruder nämlich relegiret
Von der Landesuniversität,
Wurden, daß er werde recipiret,
Die Behörden mehrmals angefleht;