Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/115

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Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
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Doch so rührend man auch immer bate
In der unterthänigsten Supplik,
Nie erfolgte drauf das Wort der Gnade,
Niemals nahm das Urtheil man zurück.
Der Verzweiflung nahe war die Lage
Der bekümmerten Familie jetzt,
Welche ihre Hoffnung für die Tage
Ihrer Zukunft auf den Sohn gesetzt.
Da entschloß sich des Verbannten Schwester,
Zu dem Großherzoge hinzugehn,
Und persönlich ihn mit felsenfester
Zuversicht um Gnade anzuflehn.
Und als Ludewig der erste hörte,
Wie die Schwester für den Bruder bat,
Er die Bitte absobald gewährte,
Die sie auf den Knieen an ihn that.
Kaum war wieder sie nach Haus gekommen,
Kam von Gießen auch das Schreiben schon,
Daß das Urtheil sei zurückgenommen
Von des Bruders Relegation.
Und wie reich belohnte sie die Freude
Ueber sein, von ihr geschaffnes Glück,
Und daß sie die Mutter aus dem Leide
Führte zur Zufriedenheit zurück! —
Als ich zehn, mein Bruder fünfzehn Jahre
Alt geworden waren ganz genau,
Sollten beide wir zweihundert baare
Gulden holen auf der Rabenau.
Deßhalb nahm mein Bruder eine Flinte,
Ich des Vaters Degenstock zur Hand,
Um, wenn etwa sich ein Räuber finde,
Ihm zu leisten kräft'gen Widerstand.
Glücklich kamen wir im hohen Winter
Auf der Rabenau zusammen an;
Denn wiewohl wir beide fast noch Kinder,
Brachen durch den Schnee wir doch die Bahn.
Da wir nun in unsern Büchsenranzen
Von dem Großpapa das Geld gefaßt,
Mußt's mein Bruder tragen auf dem ganzen
Heimweg, weil mir war zu schwer die Last.
Denn als ich's probirte, sie zu tragen,
Fing sie an, bei jedem Schritte mir
In die Kniekehl' dergestalt zu schlagen,
Daß ich gleich mich wieder schied von ihr.
Unser Rückweg war nicht ganz geheuer,
Denn wir mußten darauf erst bestehn
Manches sonderbare Abenteuer,
Eh' wir uns're Heimath konnten sehn.
Erstens wollt' ich plötzlich, 's war zum Lachen,
Grad den Weg, auf dem wir kamen her,
Wieder allen Ernstes rückwärts machen,
In dem Wahn, daß er der rechte wär'.
Da mein Bruder deßhalb mich verlachte,
Reizte er mich schnell dadurch zum Grimm,
Und da er nach diesem auch nichts fragte,
Warf ich mit dem Degenstock nach ihm.
Komm, Du hast auf Irrkraut wohl getreten,
Weil auf einmal Du so irre bist,
Sprach er, und ich will um Alles wetten,
Daß hier dies der Weg nach Grünberg ist!
Dadurch konnt' er mir den Wahn nicht rauben,
Als ich aber Mehrere gefragt,
Mußt' ich endlich seinen Worten glauben,
Weil sie alle ebenso gesagt.
Als wir noch ein Stückchen weiter kamen,
Bis in einen jungen Tannenwald,
Wir auf einmal hinter uns vernahmen
Ein gebieterisches, lautes „Halt!“
Siehe da, ein Kerl in blauem Kittel
Kam uns beiden schnellen Schrittes nach,
Und es fiel mir auf sein dicker Knüttel,
Weßhalb ich zu meinem Bruder sprach:
„Hör', das ist kein ehrlicher Genosse,“
„Wie man schon von Weitem sehen kann;“
„Binde schnell das Tuch vom Flintenschlosse,“
„Eh' er nahe kommt, und spann' den Hahn!“
„Wenn er angreift, und die Flint' versagen“
„Sollte, hat es doch noch keine Noth;“
„Laß Dich ringend nur zu Boden schlagen;“
„Trau' auf mich; ich stech ihn auf Dir todt!“
Als er nah' war, rief mein Bruder muthig:
„Kerl, drei Schritte uns vom Leibe bleib!“
„Einen Schritt noch, und Du stürzest blutig;“
„Denn die Kugel fährt Dir durch den Leib!“
Und er stand und sprach: Ich wollt nur fragen,
Ob das hier der Weg nach Grünberg sei?
Doch sein Auge sprach: Darf ich es wagen?
Werd' ich fertig wohl mit diesen Zwei?
Da auf unser „Ja“ er bliebe stehen,
Und nun mit uns wollte in die Stadt,
Sprach mein Bruder: „Das kann nicht geschehen;“
„Denn wir sind schon der Gesellschaft satt!“