Die Probstei in Wort und Bild/105

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Die Probstei in Wort und Bild
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Probstei in Wort und Bild.djvu
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Körperliche Bildung der Probsteier.

Ganz unstreitig zeichnen sich hier die Probsteier vor allen ihren Nachbarn vorteilhaft aus. Ein ganz eigener, gerader, fester, kerniger Körperbau (äußerst selten findet man einen Verwachsenen) starkes, sich kräuselndes Haar, Kraft in Mienen und Gang, ein offenes freies Gesicht unterscheidet sie sehr kennbar. Besonders hat das weibliche Geschlecht in der Regel eine sehr vorteilhafte Bildung. Mehrere Ausländer haben nur diese Beschreibung streitig gemacht, allein das den Probsteierinnen eigene freie, kecke Wesen, das von Freiheit und Selbständigkeit zeugt, und die einzelnen entweder durch die Verhüllung verdeckten, oder durch die Form der Kopfbedeckung verstellten Züge ihrer Physiognomien haben wirklich etwas Gefälliges. Aeußerst auffallend ist es mir immer. gewesen, daß hier eine weiße Gesichtsfarbe für die höchste Schönheit des weiblichen Geschlechts galt. Een witte Deeren und ein schönes Mädchen sind gleichbedeutende Ausdrücke, ja, eine allgemein bewunderte Schönheit hieß einmal ausschließlich „de witte Deeren“. Man that viel, um sich diesen Vorzug zu sichern. Das ganze Gesicht wurde, um nicht von der Luft zu leiden, in mehrere seidene Tücher so verhüllt, daß außer den Augen und der Nase fast nichts aus der Vermummung hervorragte, ja manche naschte oft gar Kreide und rohe Grütze im Ueberfluß, da dann begreiflich die bezweckte weiße Gesichtsfarbe in eine unangenehme Blässe überging.

Auch hier muß ich es bedauern, daß schon an der jetzigen Generation die Folgen der Verweichlichung nur zu sehr bemerkbar sind. Zwar zeichnen sich noch immer unsere Jünglinge, denen ihre feinere gesellige Bildung wirklich wohl steht, durch ihren ansehnlichen Wuchs gefällig aus; allein jene imponierende Kraftgestalten, die man einst allgemeiner sah, werden doch immer seltener und sind in einzelnen Familien ganz ausgestorben.

Nationaltracht der Probsteier.

Da die Tracht der Probsteier im Vaterlande allgemein bekannt und in Schriften genau beschrieben ist, da wir auch Abbildungen davon haben, welche sie der Nachwelt als eine Erinnerung aus der Vorzeit aufbewahren werden: so darf ich hier bei einer detaillierten Beschreibung nicht verweilen. Daß sie eher auf eingewanderte Kolonisten zu schließen berechtige, als auf eine wendische Abstammung zurückdeute, habe ich bereits, und, wie ich hoffe, mit hinlänglichen Gründen erklärt. Meine fortgesetzten Untersuchungen, und besonders die gütige Mitteilung äußerst lehrreicher und wichtiger Bemerkungen, welche ich dem Herrn Wedel von Freudenholm verdanke, und welche mich zu einem eigenen Nachtrage bestimmen, haben meine Vermutungen sehr bestätigt. Die aufgefundenen Aehnlichkeiten, mit der Tracht in einzelnen Gegenden, deren Bewohner erweislich oder doch höchstwahrscheinlich von niederländischen Kolonisten abstammen, verstärken sie sehr nachdrücklich. Die Vierlander haben, wenn gleich jede Landschaft ihre eigene von der anderen abweichende Tracht hat, doch alle die rote Farbe der Wämse: die Kirchwärder krapprot, die Neugammer hellrot, die Korslacker dunkelrot, die Altengammer braunrot. Von den Helgoländern erzählt Peter Sax: Ihre tägliche Kleidung ist rot, sie tragen fast keine andere. In einer Nachricht des Lorenz Lorenzen von der Tracht der Friesen, welche Herr Wedel mir in einem ausführlichen Auszuge mitzuteilen die Güte gehabt hat, habe ich manche sehr auffallende Aehnlichkeiten mit der Tracht der Probsteierinnen, und besonders auch die silbernen Malljen bei dem vormaligen Brautschmuck derselben gefunden, die ich bisher vergebens gesucht hatte.

Ob die Nationaltracht gut stand? Das ist freilich sehr verschieden beurteilt, und besonders haben die dicken Strümpfe, denen man mit Seife und Kreide eine blendende Weiße zu geben weiß, viele Gegner gefunden. Ich gestehe es gern, daß sie mir immer, einzig die Röcke des weiblichen Geschlechts ausgenommen, die in früheren Zeiten zuweilen kurz bis zur Verletzung des Schicklichen waren, sehr gefallen hat. Ich bewahre sie auf in lebhafter Erinnerung, jene angenehmen Eindrücke, die es