Die Probstei in Wort und Bild/106

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Die Probstei in Wort und Bild
Inhalt
<<<Vorherige Seite
[105]
Nächste Seite>>>
[107]
Probstei in Wort und Bild.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.


immer auf meine Gefühle machte, wenn ich an den Sonntagen, und besonders an den zweiten Festtagen unter einer Linde vor meinem Hause ganze Scharen in festlichem Gedränge in der besten hochroten Tracht mit blendend weißen Füßen zur Kirche wallen sah, ein Anblick, welcher immer mein Gefühl wohlthätig erhob, und nur eine sehr erwünschte Stimmung zu meinen heiligen Geschäften gab. Ja! ich hätte es gewünscht, daß die Nationaltracht beibehalten wäre, und immer ahnte ich von jener falschen Scham, mit der einzelne sich der Eigentümlichkeiten eines braven Volks zu schämen anfingen, und die immer von Verwirrung der Begriffe, die von einer entehrenden Schwäche zeugt, jene nachteiligen Folgen, die sich in einem verfälschten Gefühl, einem verkehrten Geschmack und in einer unglücklichen Abhängigkeit von der Herrschaft der Mode nur zu bald und zu deutlich zeigten.

Unaufhaltsam und mit einer reißenden Schnelligkeit wurde die Reform der männlichen Kleidung vollendet. Sie ist jetzt fast durchgängig abgelegt. Einzig die Strümpfe werden noch hin und wieder beibehalten, doch auch sie fangen schon an mit höfischen vertauscht zu werden. Auch die weibliche Tracht hat schon Veränderungen erlitten. Einzelnes davon ist unleugbar zweckmäßig. Wer sollte die längeren, anständigeren Röcke nicht billigen? Hätte nur auch die edlere weibliche Schamhaftigkeit davon einen Zuwachs erhalten! Ebenso halte ich es sehr vernünftig, daß die Sitte der jungen Mädchen, bei der Konfirmation, bei der Abendmahlsfeier, und als Brautjungfern in bloßen Haaren zu erscheinen, abgeschafft wurde. Die Haare wurden mit Bier ganz durchnäßt, dann äußerst scharf geflochten, und so die nassen Flechten ringsum den Kopf gewunden, welches nicht selten eine heftige Erkältung des Kopfs, Kopfschmerz, Katarrhalkrankheiten, ja oft Ohnmachten zur Folge hatte. Es ist vernünftig und recht, auch das Herkommen einer prüfenden Beurteilung zu unterwerfen und das aufzugeben, was man als unbrauchbar, fehlerhaft und nachteilig erkannt hat; allein der unglücklichen Neigung, alles Hergebrachte ohne jene allein vernünftige Rücksicht, einzig den Gesetzen herrschender Moden zu unterwerfen, der kalten Gefühllosigkeit, der Gleichgültigkeit gegen Nationaleigentümlichkeiten und der ängstlichen Besorgnis, ob diese auch zu sehr mit dem Geschmack des Zeitgeistes kontrastieren möchten, kann doch kein Menschenkenner, kein Menschenfreund das Wort reden. Die weibliche Kleidung ist jetzt ein zusammengesetztes Gemisch der alten Nationaltracht und der sogenannten höfischen Kleidung, nach der sie häufig geformt wird. Die Probstei hat, wie die Stadt, ihre Tonangeberinnen in Rücksicht auf Mode, und, wenn man will, bei den Zusammenkünften der jungen Mädchen auch ein annulierendes Modenjournal.

Eigentümlichkeiten der Sprache der Probsteier.

Die Sprache der Probsteier ist an örtlichen Eigenheiten, Benennungen und Redensarten sehr reich, und enthält viele Ausdrücke, welche außer der Probstei nicht gehört, nicht verstanden werden. Auch hat ihr Dialekt manches eigene. Gleichwohl vermag ich nicht, das ganze auf eine Stammsprache zurückzuführen, noch von jedem gangbaren Ausdruck zu bestimmen, wo er eigentlich zu Hause gehört. In ihrer Mundart sind friesische, dänische, holländische und englische Wörter zusammengemischt, manche Ausdrücke haben ganz lokale Beziehungen, manche sind dem dithmarsischen Plattdeutsch sehr ähnlich, und vieles ist bloß durch Dialekt und mehrere Zufälligkeiten entstellter Jargon. Ich habe bereits vor 12 Jahren in dem Idiotikon des verst. Kanzleisekretärs Schüfe einen Teil meiner Sammlungen mitgeteilt. Mein sel. Freund beging dabei den Irrtum, die Eigentümlichkeiten der Probsteier Sprache, welche ich als Prediger zu Probsteierhagen mitteilte, für Probsteihagener Eigentümlichkeiten auszugeben. Auch verleitete ihn das Etymologisieren zuweilen zu ganz falschen Erklärungen.So leitet er T. I, S. 33 die Probsteier Redensart: du büst een Amakker für: du hast keine Kräfte, historisch ab, und sucht ihre Quelle in kriegerischen Zeiten, da sie bestimmt, bloß ein im Jargon verbildetes Derivat von Amak Ohnmacht, unser ohnmächtig ist.